Interview mit dem Filmemacher

Christian Dassel und Onkel Willi

Stand: 19.02.2015, 18:27 Uhr

Filmemacher Christian Dassel begleitet Onkel Willi schon seit mehreren Jahren und dreht eine Netz-Reportage über den Lebenskünstler. Ihre gemeinsame Abmachung: ein Vermächtnis für die Nachwelt schaffen. Hier erklärt er, wie es zu dieser Idee kam:

Warum hat dich Onkel Willi so fasziniert?

Was mich fasziniert, ist die Konsequenz, mit der er sein Leben lebt. Er hat sich vorgenommen, sein Leben lang Musik zu machen, "egal wie arm ich dabei bin. Das ziehe ich jetzt durch - bis zum Schluss." Das ist Haltung. Ob ihm das gut tut oder nicht, weiß er selbst am besten. Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut: Ich stelle seinen Lebensentwurf nicht infrage. Ich stehe staunend davor.

Wie hast du Onkel Willi kennen gelernt?

Das war vor über zehn Jahren. Wir haben für das WDR-Fernsehen die allererste Folge der "Haltestellen" gedreht. Irgendjemand hat uns von "so ´nem Freak in der Schrebergartenlaube" erzählt. Wir sind also spontan und ohne Absprache nach Münster gefahren und waren erst mal geplättet von Onkel Willi und seiner Laube. Schnell hat sich ´rausgestellt: Das ist kein "Freak". Onkel Willi ist ein waschechter Lebenskünstler, von denen es nicht mehr viele gibt.


Die Abmachung: Du begleitest Onkel Willi bis zum Schluss. Wie ist es dazu gekommen?

Onkel Willi hat mir mal erzählt, dass er der Nachwelt gerne etwas hinterlassen würde. Er hat keine Kinder und wenn er tot ist, ist alles, was mit ihm zu tun hat, einfach weg. Das fand er "unbefriedigend". Bei mir entstand dann irgendwann der Gedanke, einen langen Dokumentarfilm über ihn zu machen. Ich hab ihn gefragt, ob er sich das vorstellen könnte: Eine ungeschönte Langzeitbeobachtung, die alle Höhen und Tiefen eines solchen Künstlerlebens dokumentiert. Er konnte sich das vorstellen, "aber wenn, dann richtig. Mit Beerdigung." Wie gesagt: Was er macht, macht er richtig. Wir haben also über die Jahre immer mal wieder gedreht und im Laufe der Zeit hat sich der Journalismus verändert. So wurde aus dem Dokumentarfilm eine Netz-Reportage.

Das ist keine einfache Abmachung. Wie gehst du damit um?

Erst einmal noch gar nicht. Schließlich ist das keine Reportage über das Sterben, sondern über das Leben. Wir erleben, wie Onkel Willi seinen Alltag meistert. Natürlich: Wir begleiten ihn auf der letzten Etappe seines Weges und natürliche ist der Tod für Onkel Willi ein Thema. Aber sein Credo ist: "Ich will solange leben, bis ich sterbe. Das dauert vielleicht nicht mehr allzu lange, aber bis es so weit ist, will ich leben!" Wir sind dabei, so lange er es zulässt. Vielleicht auch so lange, wie wir es ertragen können. Das weiß ich noch nicht. Ich mache es wie Onkel Willi: Ich denke ans Jetzt. Ans Später denke ich später.

Wie schwierig ist es, "nur" Beobachter zu sein?

Klar: Onkel Willi hat gesundheitliche Probleme, und viel Geld hat er auch nicht. Wenn wir drehen, bekommt er eine Aufwandsentschädigung. Wenn er Hilfe braucht, helfen wir ihm. Es ist aber nicht so, dass wir ständig den Eindruck hätten, da müsste man einschreiten. Ganz im Gegenteil: Er lebt sein Leben genauso, wie er das möchte - mit allen Konsequenzen. Ich diskutiere nicht mit ihm, ob er besser in einem Altersheim leben sollte. Ich habe den Eindruck, er ist glücklich - trotz Atemnot und Armut. Er braucht keine guten Ratschläge. Onkel Willi ist alt genug. Der weiß schon, was er tut. Aber: Er ist halt auch durch und durch Künstler und ein Künstler lebt vom Applaus - und auch von der Aufmerksamkeit. Ich habe den Eindruck, dass er sich freut, wenn wir ihn besuchen und die Geschichte seines Lebens erzählen. Und solange das so ist, besuchen wir ihn weiter.