Benedikt XVI. in der Kölner Synagoge

Ein Schofar-Horn für den Papst

Stand: 19.08.2005, 12:02 Uhr

"Wir müssen gemeinsam die Fackel der Hoffnung weitergeben", sagte Benedikt XVI. zur jüdischen Gemeinde in Köln. Der Papst gedachte mit dem Kölner Rabbiner der Opfer des Holocaust. Von christlicher Schuld sprach er nicht.

"Das ist ein historisches Ereignis, an das sich noch spätere Generationen erinnern werden", sagte Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ein Papst aus Deutschland betritt bei seinem ersten Besuch im Heimatland eine Synagoge. Mit einem Trauergebet begann der Besuch Benedikt XVI. bei der jüdischen Gemeinde in Köln: In der Gedenkhalle vor der Synagoge gedachte der Papst der über 11.000 Opfern des Holocaust unter den Kölner Juden. Rabbiner Netanel Teitelbaum sang das "Kaddisch", das hebräische Totengedenken. Bei seiner Begrüßung des Papstes fasste der Rabbiner den Weg von 1945 bis zu diesem Augenblick zusammen, indem er auf die Mutter des Gemeindevorstandes Abraham Lehrer verwies: "Sie sitzt hier heute in der Synagoge. Auf ihrem Unterarm kann man die Nummer lesen, die ihr im KZ eintätowiert wurde. 1944 in Auschwitz hatte sie weder die Kraft noch die Vorstellung, dass eines Tages in 2005 ihr Sohn den Papst offiziell in der Synagoge zu Köln begrüßen würde."

Schwere Vergangenheit und gemeinsame Zukunft

Abraham Lehrer mahnte den Papst in seiner Begrüßung, die vatikanischen Archive aus dem Zweiten Weltkrieg vollständig zu öffnen, um Forscher die Rolle des Vatikans während des Nationalsozialismus klären zu lassen. Zugleich würdigte er die Versöhnungsarbeit des Papstes und seines Vorgängers Johannes Paul II. gegenüber den Juden. Der deutsche Oberrabbiner Ehrenberg blies in das Schofar, ein Widderhorn, das sonst nur zum Versöhnungstag - dem höchsten jüdischen Feiertag - erklingt. Ein solches Schofar erhielt der Papst auch als Gastgeschenk.

Benedikt XVI. erwähnte in seiner Ansprache die Vertreibung der Juden aus Köln 1424. Die Nazi-Verfolgung sei einer "neuheidnischen Rassenideologie" entsprungen. Der Papst verurteilte jeden Antisemitismus und sprach mit Sorge von dessen neuem Erstarken. Ein Wort zur christlichen Judenfeindschaft und ein Schuldbekenntnis, wie es sein Vorgänger formuliert und Beobachter erhofft hatten, blieb allerdings aus. Benedikt XVI. stellte sich auf den Boden des II. Vatikanischen Konzils, das 1965 den ungekündigten Bund Gottes mit den Juden anerkannt hatte. Die beiden Religionen gemeinsamen "Zehn Gebote" seien das Erbe, das man der jungen Generation weitergeben müsse. Christen und Juden müssten sich noch näher kennen lernen und einen Weg des Dialogs und der Versöhnung gehen.

Blaue Kappen und ein Abschiedskuss

Nach seiner Rede begrüßte der Papst verdiente Mitglieder der jüdischen Gemeinde, von den Gründern der Nachkriegszeit bis zu den neuen Zugewanderten aus der ehemaligen Sowjetunion. Hier kam es auch zu einem kurzen Gespräch mit dem israelischen Botschafter Shimon Stein und mit Paul Spiegel. Die Menschen in der Synagoge trugen blaue Kopfbedeckungen, in die eine Erinnerung an den Besuch eingestickt war.

Um die Synagoge herum herrschte höchste Sicherheitsstufe: Das Gebäude und die Straße davor waren abgesperrt, Polizisten hatten sich in den Fenstern umliegender Wohnungen postiert. Beim Abschied vor der Synagoge konnten einige Weltjugendtags-Pilger den Papst begrüßen. Bevor der Wagen Benedikt XVI. wieder anfuhr, drückte einer der Gäste aus der Synagoge einen Abschiedskuss auf die Scheibe.