Eucharistischer Kongress in Köln

"Eine autoritäre und konservative Veranstaltung"

Stand: 07.06.2013, 08:56 Uhr

Der Historiker und emeritierte Professor Rudolf Lill kritisiert im Interview mit dem WDR 5 Morgenecho den Eucharistischen Kongress in Köln als Ausdruck einer reaktionären Form des katholischen Kirchentums. Dabei greift er auch Kardinal Meisner scharf an.

WDR 5: Ist dieser Eucharistische Kongress so eine Art Katholikentag oder was ist das für eine Veranstaltung?

Rudolf Lill: Es soll wohl in der Nähe eines Katholikentages liegen. Man muss aber unterscheiden zwischen einer großen Tradition eucharistischer Frömmigkeit, die seit dem Mittelalter zum katholischen Kult gehört, und einer kleinen Tradition so genannter eucharistischer Kongresse, die erst später entstanden, als sich die katholische Kirche defensiv von der modernen Welt abschloss. Das wurde im Rahmen dieser Selbstbestätigung eingeführt und sollte eigentlich auch zu Ende gegangen sein. In den Jahren 1909 und 1912 fanden in Wien und Köln Kongresse dieser Art statt, ein bisher letzter 1960 in München. Dann hatten die aktiveren Katholiken die Notwendigkeit solcher demonstrativer, autoritärer und konservativer Veranstaltungen wohl nicht mehr eingesehen, und deshalb kommen auch nicht so viele.

WDR 5: Was macht denn diesen Kongress so konservativ?

Lill: 50 Jahre nach dem zweiten Vatikanischen Konzil, in welchem von der Kirche als ein Volk Gottes mit der Beteiligung von Priestern und Laien gesprochen wurde, wird hier in reaktionärster Form demonstriert, wie die Priesterschaft mit dem Altarssakrament umgeht und die anderen segnet. Es gibt zweifellos aber auch sehr gute Sachen bei dieser Veranstaltung: Ich konnte in ein sehr schönes Barockkonzert reinhören, leider waren nur 20 andere Zuhörer da. In St. Andreas habe ich eine schöne Vesper gehört, aber auch da waren nur die eigentlichen Pfarrangehörigen.

Lichtprojektionen im Kölner Dom

Lichtprojektionen im Kölner Dom anlässliches des Kongresses

Viele der Veranstaltungen haben aber Eventcharakter. Warum muss man denn eine Woche nach dem Fronleichnamsfest, das ja diesem Thema gewidmet ist seit dem Mittelalter, eine solche Showveranstaltung machen am Tanzbrunnen und im Stadion? Das passt nicht in die große Tradition. Wenn man wie hier im Kölner Dom die schönsten Monstranzen aus der Zeit der Gotik und des Barock hat, dann braucht man auch keine neue machen lassen. Also irgendwie will man eine gewisse Modernität vorspielen, während in Wirklichkeit der Inhalt konservativ und traditionalistisch ist.

WDR 5: Was sagt denn der Vatikan dazu? Gab es Äußerungen, wie man dazu steht?

Lill: Das weiß ich nicht. Aber klar ist, dass sich der Stil kirchlicher Verkündigung und Selbstfindung im Vatikan seit dem März grundlegend geändert hat. Diese Zeit der autoritären, restaurativen Selbstbehauptung, die unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. durchgesetzt worden war und zu deren Vollstrecken jemand wie der Kölner Kardinal Meisner gehörte, ist vorbei. Der neue Papst beruft sich auf das Konzil und tadelt jene, die das nicht voll realisiert haben. Er spricht davon, auf die arme Welt zuzugehen und die Kirche im franziskanischen Sinne umzuformen. Ich glaube, er hat Wichtigeres zu tun, als sich um so eine regionale, konservative Veranstaltung zu kümmern.

WDR 5: Kardinal Meisner will sich zu seinem 80. Geburtstag Ende dieses Jahres zurückziehen. Wird sich danach gerade hier im Erzbistum Köln etwas verändern?

Lill: Das lässt sich schwer voraussagen. Manche Leute sagen, dieser so genannte Eucharistische Kongress sei in Wirklichkeit eine Abschiedsparty Meisners.

WDR 5: Er hat es auch als Karneval bezeichnet.

Kölner Kardinal Meisner bei der Vorstellung des Programms zum Eucharistischen Kongress 2013

Katholischer Karneval?

Lill: Damit hat er uns Rheinländer alle persönlich beleidigt. Wenn er sagt, er könne den Menschen hier diesen Kongress nur als "eucharistischen Karneval" erklären, dann meint er wohl, wir könnten alle nur karnevalistisch denken. Ich persönlich habe das als Beleidigung empfunden. Was sich verändern wird, weiß ich nicht. In den vergangenen 30 Jahren wurden die Strukturen und die Personalkonstellation im konservativ-reaktionären Sinn gestaltet. Es ist zu hoffen, dass an die Stelle einer in sich verschlossenen und sich demonstrativ mit so einer Feier noch einmal repräsentierenden Kirche wieder eine offenere Gemeinschaft tritt. Dort sollte die Eucharistie als Mittelpunkt des Glaubens in die Gemeinde gehören, in den sonntäglichen Gottesdienst und nicht in solchen Demonstrationen.

Das Interview führte Frank Wörner im WDR 5 Morgenecho vom 07.06.2013.