Teilnehmer einer Weiterbildungsmaßnahme in einem Schulungsraum

″Denen, die haben, wird weiter gegeben″

Stand: 09.11.2019, 00:00 Uhr

Teil 2/2 - Wie kann Weiterbildung in Deutschland gerechter werden?

Dr. Michael Schemmann ist Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung / Weiterbildung an der Universität zu Köln. Sein Schwerpunkt ist u.a. die Strukturforschung in der Weiterbildung.

WDR: Sticht im bundesweiten Vergleich ein Bundesland besonders heraus?

Schemmann: Die strukturellen Rahmenbedingungen der Weiterbildung werden nicht nur von den Ländern allein, sondern auch vom Bund, von internationalen Organisationen wie etwa der EU und durch die Kommunen beeinflusst. Von daher ist ein Vergleich auf Länderebene wenig aufschlussreich und entsprechende Untersuchungen wie etwa der Weiterbildungsatlas wählen daher auch die Stadt oder den Kreis als Untersuchungseinheit. Und auch auf dieser Ebene ist zu beachten, was mit was verglichen wird. Köln lässt sich nicht ohne weiteres mit einem Landkreis in der Eifel vergleichen.

Was sich allerdings allgemein zeigt ist, dass enge Kooperationen und die Zusammenarbeit von Einrichtungen der Weiterbildung untereinander sowie mit regionalen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Bildung sowie Arbeits- und Kommunalverwaltungen positive Effekte auf die Teilnahme an Weiterbildung haben.

WDR: Wo steht Deutschland bei der Weiterbildungsteilnahme im internationalen Vergleich?

Schemmann: Folgt man dem Bildungsbericht der OECD "Bildung auf einen Blick", so liegt Deutschland mit einer Teilnahmequote von 52 Prozent über dem Durchschnitt der OECD-Staaten, der bei 47 Prozent liegt. Die Bandbreite ist übrigens sehr groß, von 17 Prozent in Griechenland oder 21 Prozent in der Türkei bis zu 69 Prozent in der Schweiz oder 64 Prozent in den Niederlanden.

WDR: Wenn Sie die Möglichkeiten dazu hätten: Welche drei Maßnahmen würden Sie direkt umsetzen, um die Ungleichheit in der Weiterbildung in Deutschland zu verbessern?

Schemmann: Betrachtet man den Bereich der Weiterbildung im Vergleich zu den anderen Bildungsbereichen wie frühkindliche Bildung oder Schule und Hochschule, so umfasst er den größten Teil der Bevölkerung. Allerdings stehen diesem Bereich im Vergleich zu den anderen die mit Abstand geringsten öffentlichen finanziellen Ressourcen zur Verfügung. Ich würde die öffentliche Finanzierung der Weiterbildung massiv erhöhen, um hier eine Ausgewogenheit herzustellen.

Aus verschiedensten Untersuchungen wissen wir, dass die Qualität von Bildungsveranstaltungen massiv von der Qualität der pädagogisch-professionell Handelnden, also den Lehrkräften abhängt. Es ist notwendig, die finanziellen Rahmenbedingungen für Lehrende in der Weiterbildung schaffen, damit sie ihre Lehre in der höchsten Qualität erbringen können.

Und schließlich: Weiterbildung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung von großen gesellschaftlichen Aufgaben wie etwa Integration von Migrant*innen, Grundbildung und Alphabetisierung oder politische Erwachsenenbildung. Leider werden die Möglichkeiten zur Bearbeitung dieser Aufgaben oftmals nur projektförmig eröffnet. Ich würde den Beitrag zur Bewältigung dieser Aufgaben in einer dauerhaften Struktur absichern.

Das Gespräch führte Rainer Striewski.