Der Kölner Dom und die westliche Skyline von Köln, Abendstimmung

U-Bahn lässt Kölner Kathedrale erzittern

Hat keiner an den Dom gedacht?

Stand: 11.01.2013, 17:45 Uhr

Die Serie von Pannen beim Kölner U-Bahn-Bau reißt nicht ab: Jetzt lässt die nagelneue Bahn den Dom erzittern. Die verantwortliche KVB räumt nun ein, dass eine mögliche Gefährdung des Doms nicht in Erwägung gezogen wurde - obwohl der Tunnel unmittelbar an der Kathedrale vorbeiführt.

Von Nina Magoley

Böse Erinnerungen wurden wach, als am Mittwoch (09.01.2013) bekannt geworden war, dass der Kölner Dom, Wahrzeichen der Stadt und Weltkulturerbe, regelmäßig vibriert, wenn ein Zug durch die neu eröffnete Nord-Süd-Verbindung der U-Bahn rattert. In einem Brief hatte sich das besorgte Domkapitel an die Stadt gewandt und von Geräuschen und Erschütterungen berichtet, die im Dom-Inneren zu spüren seien. Bei einer Ortsbegehung am Mittwoch konnten sich der Technik-Vorstand der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) Jörn Schwarze und Gerd Neweling, Leiter des Kölner Amts für Brücken und Stadtbahnbau, zusammen mit Dombaumeister Michael Hauck davon überzeugen: Alle fünf Minuten ruckelt es in der Sakristei, seit Anfang Dezember vergangenen Jahres die neue Strecke in Betrieb ging. Jeder Zug, der vorbeifährt, erzeugt für jeweils 20 Sekunden Geräusche und Erschütterungen. Auch in der Kuppel einer der Seitenkapellen, so der Dombaumeister, seien die Vibrationen noch spürbar.

Problem der Schallübertragung

Dass die fahrenden Züge Vibrationen und Lärm übertragen würden, war den Verantwortlichen des U-Bahnbaus durchaus bewusst. Schon im Jahr 2009 probierten Experten in umfangreichen Simulationen und sogenannten Rütteltests aus, wie sich die Schwingungen der Bahnen auf die Räume der unmittelbar neben dem Dom gelegenen Philharmonie auswirken könnten. Auch der ebenfalls benachbarte WDR mit seinen Studios wurde in die Untersuchungen mit einbezogen. Schließlich kam im Bereich der Gleise ein "doppeltes Masse-Feder-System" zum Einsatz, das nun störungsfreie Konzerte in der Philharmonie garantieren soll.

Tunnel war nie für Durchgangsverkehr genutzt worden

Dass aber auch der Dom, der in direkter Nachbarschaft von Philharmonie und WDR-Funkhaus steht, durch die ratternden Züge in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, ist offenbar niemandem in den Sinn gekommen. In einer Skizze der KVB ist deutlich erkennbar, dass eine der fraglichen U-Bahnröhren unmittelbar an der Kopfseite des Doms unterirdisch entlang führt. Damit kommt sie dem Dom sogar näher als den WDR-Gebäuden. Für die KVB schien das bei der Planung kein Grund zur Sorge: "Dieser Teil des Tunnels hat mit dem Neubau nichts zu tun", sagt KVB-Sprecherin Gudrun Meyer. "Er besteht schon seit 1968 und damit hat es nie Probleme gegeben." Dann allerdings räumt sie ein, dass es sich bei dem Tunnel früher um eine Sackgasse gehandelt habe, eine Art Abstellgleis, auf dem gerade nicht benötigte Bahnen geparkt wurden. Für die Nord-Süd-Bahn wurde der alte Tunnel mit dem neuen Teil verbunden. Bis dato habe es aber nie vergleichbaren Durchgangsverkehr auf dieser Strecke gegeben, bestätigt die Sprecherin. Dennoch, beharrt sie, "war davon auszugehen, dass es keine Probleme geben würde".

Plan des U-Bahn-Baus in Köln

Nein, Gespräche mit der Dombauhütte habe es von Seiten der KVB in der Planungsphase nie gegeben, bestätigt auch Dombaumeister Hauck, "das hat man offensichtlich nicht für nötig gehalten". Das könne man heute "kritisieren oder auch nicht", sagt er diplomatisch. Zumindest habe die KVB "hervorragend" reagiert: Per sofortiger Order noch am Mittwoch war die Fahrgeschwindigkeit der U-Bahnen im Bereich des Doms von 30 auf 20 Stundenkilometer reduziert worden. Das habe die Erschütterungen bereits spürbar verringert, sagt Hauck, "jetzt vibrieren zumindest die Scheiben im Aufzug der Schatzkammer nicht mehr".

Wie gefährlich die Bewegungen für den Dom tatsächlich sind, sei kaum einzuschätzen, sagt der Dombaumeister. Das Bauwerk, dessen Bauzeit im 13. Jahrhundert begann und bis zur Fertigstellung 600 Jahre dauerte, bestehe beispielsweise im Bereich des Chors aus mittelalterlicher Bausubstanz, die statisch mit heutigen Mitteln nicht zu berechnen sei. "Wir wissen nicht, was passiert, wenn wir diese Erschütterungen über Jahre ignorieren würden." Dieses Risiko könne niemand verantworten.

"Vielleicht eine einfache Geschichte"

Möglicherweise entstehe die Schallübertragung über die im Jahr 2000 unterirdisch an den Dom angebaute Domschatzkammer, meint KVB-Sprecherin Meyer. Vermutlich sei die Schatzkammer nur vier Meter von der Tunnelröhre entfernt. Direkt verbunden sind Domschatzkammer und U-Bahn-Tunnel aber offenbar nicht. Es sei inzwischen klar, dass es keine direkte Verbindung gebe, erklärte Dombaumeister Hauck am Freitag (11.01.2013). "Hier wird wirklich kunterbunt herumspekuliert", kommentierte er entsprechende Medienberichte. Gleichwohl könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass es trotzdem eine Schallbrücke zwischen U-Bahn-Tunnel und Schatzkammer gebe. Dafür könne beim U-Bahn-Bau eingebrachtes und verdichtetes Füllmaterial verantwortlich sein. Hauck widersprach Befürchtungen, wonach es riesige Summen kosten wird, den U-Bahn-Tunnel besser zu isolieren: "Das wird ein überschaubarer Betrag, das wird auch insgesamt eine überschaubare Maßnahme sein. Wir müssen nur kühlen Kopf bewahren."

Michael Hauck

Dombaumeister Hauck

Die Palette der Möglichkeiten reiche vom Schmieren der Schienen über Gummipuffer unter den Gleisen bis dahin, auch hier nachträglich ein Masse-Feder-System einzubauen, so Hauck. "Wie die KVB das Problem behebt, ist ihre Sache", sagt er, "unsere Forderung steht fest: Am Ende müssen die gemessenen Schwingungen konstant bleiben, auch wenn gerade eine Bahn vorbeifährt."

Beim Bau der Nord-Süd-Stadtbahn durch Köln war es mehrfach zu gravierenden Pannen gekommen. So soll der Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 auf Fehler beim U-Bahn-Bau zurückzuführen sein. Zwei Menschen starben dabei, zahlreiche historische Urkunden, Handschriften und Nachlässe wurden beschädigt oder zerstört. Jahre zuvor hatte sich bereits in der Nähe ein Kirchturm geneigt.