Die Kölner U-Bahn-Baustelle Heumarkt bei Nacht von oben aus betrachtet

Verstöße bei Kölner U-Bahn-Bau

Einsturzursache noch unklar

Stand: 15.03.2009, 17:02 Uhr

Beim Bau der U-Bahn in der Nähe des eingestürzten Kölner Stadtarchivs haben Bauunternehmen offenbar gegen Auflagen der Stadt verstoßen. Sie sollen mehr Brunnen als genehmigt gebohrt haben. Die Ursache für das Unglück ist allerdings noch ungeklärt.

Die am U-Bahn-Bau beteiligten Bauunternehmen haben sich nicht an Auflagen zum Umgang mit Grundwasser gehalten. Das sagte die Kölner Umweltdezernentin Marlies Bredehorst am Sonntag (15.03.2009) bei einer Pressekonferenz. In der Nähe des Stadtarchivs seien statt der genehmigten vier Brunnen seit September 2008 15 Brunnen errichtet worden. Die Fördermenge des Grundwassers habe teilweise über dem erlaubten Wert von 450 Kubikmetern pro Stunde gelegen, erläuterte Bredehorst. Zum Teil seien bis zu 750 Kubikmeter pro Stunde gefördert worden. Das sei das Ergebnis der ausgewerteten Brunnenprotokolle. Weder die Stadt noch die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) hatten angeblich Kenntnis von diesen Verstößen.

Unterlagen fehlen

Nach Angaben der KVB ist die Ursache für den Einsturz des Stadtarchivs aber weiter unklar. Für eine Klärung des Unfallhergangs fehlten Unterlagen der ausführenden Baufirmen, erklärte KVB-Vorstand Walter Reinarz am Sonntag. Die Bauarbeitsgemeinschaft für den U-Bahn-Bau sei eine Auskunft bislang schuldig geblieben. Zwar gebe es erste Hinweise auf die Unfallursache, jedoch wolle man "Spekulationen" nicht nachgehen. Der KVB-Vorstand gab an, er habe bereits lange vor dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs beim U-Bahn-Bau zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für rund 2,5 Millionen Euro ergriffen. Damit sollten "eventuell drohende Gefahren" ausgeschlossen werden.

Neues Stadtarchiv in fünf Jahren

Unterdessen hat der Krisenstab seine Arbeit beendet. Für die weiteren Aufgaben werde ein Koordinierungsstab eingerichtet, sagte Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU). Das neu eingesetzte Gremium solle "unverzüglich die Schritte zum Neubau eines Archivgebäudes einleiten, das in fünf Jahren stehen soll", teilte das städtische Presseamt am Sonntagabend mit. "Die Stadt Köln geht davon aus, dass die Sicherung der Archivalien bis zu fünf Jahre dauert." Der "Koordinierungsstab Unglückstelle Waidmarkt" soll sich zudem um die "lückenlose Aufklärung der Unfallursache" und um die Betreuung der obdachlos gewordenen Anwohner kümmern.

Derweil wurde das Graben nach wertvollem Archivgut unter den Trümmern fortgesetzt. Unter den geretteten Fundstücken ist auch die zweite der beiden seltenen mittelalterlichen Handschriften des Philosophen Albertus Magnus.

"Risikobehaftete" Verfahren und Techniken?

Der frühere Kölner Baudezernent Bela Dören erhob unterdessen schwere Vorwürfe gegen die Stadtspitze und die Kölner Verkehrsbetriebe. Die Verfahren und Techniken beim Bau der Nord-Süd-Bahn im Grundwasserbereich seien "eindeutig risikobehaftet", sagte Dören der "Süddeutschen Zeitung". Es sei unverständlich, weshalb bei den Arbeiten nicht erprobte Verfahren wie Unterwasser-Beton oder Gefriertechniken angewandt worden seien. Stattdessen habe sich der Bauherr KVB dazu entschieden, das Grundwasser abzupumpen - möglicherweise "alleine aus Kostengründen".

Der Sprecher der KVB, Joachim Berger, bestätigte auf Anfrage der Zeitung, dass Unterwasser-Betonage oder Gefriertechniken bei der U-Bahn-Baustelle am Kölner Waidmarkt, die unmittelbar an das eingestürzte Archiv angrenzt, "in der Planung nicht vorgesehen gewesen" seien. Die Stadt Köln wies die Vorwürfe von Dören am Sonntag zurück: Am Verfahren der Baufirmen gebe es nichts zu kritisieren, sagte Baudezernent Bernd Streitberger.

Ermittler prüfen Aussagen zum Unglückshergang

Mittlerweile prüfen die Ermittler auch, ob ein Herstellungsfehler oder eine falsche Berechnung der Wände in der nahe gelegenen unterirdischen Stadtbahn-Baustelle das Unglück ausgelöst haben könnte. Das berichtete der "Spiegel". Anlass dafür seien Zeugenaussagen, die sich offenbar widersprechen.

"Super-GAU war verhinderbar"

In der WDR-Sendung "West.art am Sonntag" sagte Fritz Bilz, Kölner Bauingenieur und Historiker, am Sonntagmittag: "Der Super-GAU hätte verhindert werden können." Der U-Bahn-Bau sei von Anfang an ein Fehler gewesen. "Köln hat in der obersten Schicht etwa neun Meter Kulturschutt." Mit den möglichen Hohlräumen sei das ein denkbar schlechter Baugrund für unterirdische Bohrungen. "Außerdem ist der Grundwasserspiegel in Köln so hoch, dass er künstlich abgesenkt werden muss." Das sei aber technisch ohne Risiko nicht lösbar.

Die Direktorin des Kölner Stadtarchivs, Bettina Schmidt-Czaia, forderte in "West.art am Sonntag", dass sofort mit der Planung eines Archivneubaus begonnen und ein Digitalisierungszentrum eingerichtet werden müsse.