Ortsschild Bochum vor Opelwerk

Interview mit dem Wirtschaftsförderer

"Bochum ist ein Tausendfüßler"

Stand: 18.11.2008, 12:29 Uhr

Könnte die Opelkrise in Bochum schlimmstenfalls die ganze Stadt in den wirtschaftlichen Abgrund reißen? Nein, versichert Heinz Martin Dirks von der Bochumer Wirtschaftsförderung und preist die Vorzüge des Revierstandortes.

WDR.de: Erst die Schließung des Nokiawerks, jetzt das Bangen um Opel. Steht das krisengebeutelte Bochum jetzt wirtschaftlich vor dem Abgrund?

Heinz Martin Dirks: Das sehen wir natürlich völlig anders. Die Krisen der Vergangenheit, zum Beispiel auch das Zechensterben Ende der 50er Jahre oder die Schließung des Nokiawerks haben uns nicht in den Abgrund stürzen lassen - ganz im Gegenteil: Es hat dazu geführt, dass wir jetzt neue Firmen haben. Bochum ist ein Tausendfüßler. Wenn man der Stadt ein Bein abhackt, ist das schmerzhaft, aber es hat noch genügend andere, um darauf zu stehen.

WDR.de: Sie meinen, alle schauen zu sehr auf Opel und vergessen andere wirtschaftliche Stärken der Revierstadt. Womit kann Bochum denn punkten?

Ruhr-Universität Bochum

Ruhr-Universität Bochum

Dirks: Wir haben eine Universität, die kurz davor gestanden hat, Exzellenz-Uni zu werden, wir haben vier Hochschulen und große Firmen wie Aral oder die Bundesknappschaft hier. Vor allem aber haben wir einen riesengroßen Bestand an Mittelständlern und das ist doch genau das, was wir brauchen. Der Mittelstand bringt Arbeits- und Ausbildungsplätze. 6.000 Arbeitsplätze bei Opel würden natürlich schmerzen, aber wir haben insgesamt 123.000 Beschäftigte in Bochum. Davon sind ungefähr 40.000 in der Wirtschaft beschäftigt.

WDR.de: Was sind jetzt für jemanden in der Bochumer Wirtschaftsförderung die drängenden Aufgaben?

Dirks: Wir müssen mittelstandsfreundlich sein. Das ist doch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Firmen sich hier heimisch fühlen und schnell bedient werden, wenn es um Erweiterung oder Standortprobleme geht. Damit kann man den Firmen am meisten helfen.

WDR.de: Eine Stadt hat neben Arbeitsplätzen auch immer um ihr Image zu fürchten, wenn ein großer Konzern in Bedrängnis kommt. Wird jetzt erst recht die Marketingmaschinerie angeworfen?

Dirks: Wir wehren uns ja nicht erst seit gestern gegen das Graue-Maus-Image - was ja nicht nur uns, sondern auch dem VfL Bochum immer angedichtet wird. Das ist aber nicht so. Wir müssen das nur plausibel erklären. Sobald wir Leute hier hin holen, sehen die das plötzlich auch ganz anders.

WDR.de: Wo sind der Wirtschaftsförderung Grenzen gesetzt?

Dirks: Grenzen sind immer da gesetzt, wo andere Bereiche Förderung zahlen. Da guckt ein Investor ja durchaus auch drauf. Ich kann hier in Bochum zwar kein Geld, dafür aber ein gutes Umfeld bieten. Geld ist nur eine einmalige Geschichte, aber es muss ja auch später noch funktionieren in den Betrieben. Wenn ich zum Beispiel Arbeitskräfte aus der Universität brauche, macht es auch Sinn, an einen Standort zu gehen, wo eine Universität ist. Wichtig ist die ideelle Unterstützung und dass ich Menschen und Kompetenzen zur Verfügung stelle. Grenzen der Wirtschaftsförderung sind nur beim Thema Geld gegeben.

WDR.de: Welche Wirtschaftszweige müssten in Bochum künftig stärker ausgebaut werden?

Dirks: Neben dem Ausbau von Dienstleistungen darf keinesfalls der produzierende Bereich vernachlässigt werden. Wir müssen in Bochum auch industrielle Arbeitsplätze schaffen, zum Beispiel im Maschinenbau. Wir reden heute hier nicht mehr über Bergbau, sondern über neue Energien. Wir haben Bergbauunternehmen hier, die heute Windkrafträder bauen. Wichtig ist eine gesunde Mischung, sonst gerät eine Stadt in Schieflage.

Das Interview führte Katja Goebel.