Toni S., Ex-V-Mann des Verfassungsschutzes (r.), sitzt am 27.04.2016 im NRW-Untersuchungsausschuss unter Aufsicht eines Justizbeamten

NSU-Ausschuss: V-Mann wird zwangsvorgeführt

Stand: 27.04.2016, 17:23 Uhr

  • Gegen seinen Willen musste am Mittwoch (27.04.2016) ein früherer V-Mann des Verfassungschutzes vor dem NSU-Ausschuss in Düsseldorf aussagen
  • Toni S. bestritt jegliche Verbindung zum Terror-Trio
  • Seit 2003 habe er nichts mehr mit der rechten Szene zu tun

Von Tobias Al Shomer

Es ist ein Novum in den Untersuchungsausschüssen zur rechten Terrorgruppe NSU: Zum ersten Mal ist ein Zeuge von der Polizei zu Hause abgeholt und zur Sitzung in einen Landtag gebracht worden. Ursprünglich sollte Toni S., ehemaliger V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz Brandenburg, schon Mitte Februar aussagen. Damals erschien er aber nicht und lieferte auch kein ärztliches Attest. Deshalb beantragte der NSU-Ausschuss des NRW-Landtages die polizeiliche Vorführung.

Dass er nur widerwillig vor dem Untersuchungsausschuss aussagt, daraus macht der ehemalige V-Mann Toni S. direkt zum Auftakt keinen Hehl, als er von zwei Justizwachtmeistern zum Zeugenplatz begleitet wird. "Ich bin ja nicht freiwillig hier", sagt er schnodderig zum Ausschussvorsitzenden Sven Wolf (SPD). Die Vernehmung ist den Ausschussmitgliedern dennoch so wichtig, dass sie durch das Düsseldorfer Oberlandesgericht sicherstellen ließen, dass der Zeuge auch erscheint. Toni S. lebt seit 2003 in Dortmund, wohnte nur 750 Meter vom Kiosk des 2006 ermordeten Mehmet Kubaşık entfernt. Das stimme zwar, erklärt er dem Ausschuss, er sei aber nie in dem Laden drin gewesen. Er habe Kubaşık auch nie gesehen, ihn nicht gekannt.

War S. mit Mundlos in Dortmund?

Bundesweit bekannt geworden ist Toni S. 2013. Ein ehemaliger Spitzel der Dortmunder Polizei hatte ausgesagt, dass er ihn 2006 nur wenige Tage vor dem Mord an Kubaşık zusammen mit Uwe Mundlos und einer Frau in Dortmund gesehen haben will. Der Spitzel war Taxifahrer und will mit Toni S. zusammen Mundlos und die Frau in Dortmund am Bahnhof abgeholt haben. Vor dem Ausschuss weist der ehemalige V-Mann diese Behauptung zurück. Auch das BKA habe das ja schon als unglaubwürdig eingestuft. "Wissen Sie, wenn das nicht so einen traurigen Hintergrund hätte, dann würde ich mich jetzt hier über so einen Mist schlapp lachen", raunzt er vor dem Ausschuss.

In der Szene gilt er als Verräter

Die Ausschuss-Mitglieder sammeln sich  im Saal des NSU-Untersuchungsausschusses

Der Ausschuss tagt seit Dezember 2014

Seine Bedeutung in der rechten Szene spielt er runter. Dabei war Toni S. eine zentrale Figur der rechten Szene in Brandenburg. Er war nah dran, so nah, dass der Verfassungsschutz in Brandenburg ihn als V-Mann anwirbt. Bekannt wird das 2002, als er wegen des Vertriebs einer volksverhetzenden CD zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wird. S. liefert auch Infos zur bekannten Rechtsrock-Band "Landser“, die 2003 als kriminelle Vereinigung verboten wird, auch dank der Infos von Toni S. In der Szene gilt er jetzt als Verräter. Er zieht aus Brandenburg weg, ausgerechnet nach Dortmund. "Dass Dortmund ein Hotspot der Naziszene war, wusste ich nicht. In der Musikszene ist das auch kein Zentrum, eher ein Zentrum von politischen Akteuren", erläutert er den Abgeordneten. Keiner glaubt ihm. Alle wundern sich, warum er als enttarnter V-Mann ausgerechnet nach Dortmund gezogen ist.

Jede Menge Dementis

Blood & Honour Veranstaltung

Kontakt zu Blood and Honour

Immerhin geht Toni S. nicht in eine komplette Verweigerungshaltung wie andere Zeugen aus der rechten Szene. Er erzählt gerne und viel. Er relativiert, er dementiert, er versucht, in jeder Aussage jeden Verdacht von sich zu stoßen. Eine seiner zentralen Aussagen: "Wenn ich das wüsste, dann würde ich ihnen das sagen. Keine Frage. Das ist selbstverständlich." Vorhalte der Obleute aus den Akten offenbaren aber, wie nah Toni S. an den Kreisen dran war, die direkten Zugang zum NSU gehabt haben sollen.  Er muss eingestehen, Carsten Szczepanski, auch bekannt als V-Mann Piatto, zwei bis drei Mal getroffen zu haben. Szczepanski hatte schon früh Hinweise auf das untergetauchte Trio an seinen V-Mann geliefert. Damit wird sich bald der 11. Untersuchungsausschuss in Brandenburg beschäftigten. Jan Werner, führender Kader der inzwischen verbotenen, militanten Nazi-Gruppierung "Blood & Honour“ in Sachsen, habe er einmal in Chemnitz getroffen. Piatto berichtete auch an seinen V-Mannführer, dass Werner den Auftrag habe, Waffen für das Trio zu besorgen.

Einen direkten, nachweisbaren Bezug von Toni S. zum NSU gibt es bislang nicht. Den können auch die Obleute im Ausschuss nicht vorhalten. In ihrer Befragung zeichnen sie aber ein Bild eines ehemaligen Rechtsextremisten, der sehr nahe am Trio dran war.