Nimm die Seligsprechung vor: Papst Benedikt XVI.

Vor Ort in einer Solinger Gemeinde

Die Papst-Versteher

Stand: 17.03.2010, 10:00 Uhr

Immer neue Missbrauchsfälle erschüttern seit Wochen die katholische Kirche. Während in der Öffentlichkeit klare Worte des Papstes zunehmend vermisst werden, nimmt die Solinger Pfarrgemeinde Sankt Clemens ihr Kirchenoberhaupt in Schutz.

Von Robert Franz

"Ich betrachte die ganze Sache mit Sorge", erklärt Monika Steinebach. Die Vorsitzende des Ortsausschusses der Sankt-Clemens-Kirche in Solingen sitzt zusammen mit den übrigen Mitgliedern des Gremiums im Raum der Pfarrbücherei. Der Ortsausschuss ist ein neu geschaffenes Gremium, das den Gemeindepfarrer bei seiner Arbeit vor Ort unterstützt. Rings um den großen Tisch stehen Regale, meist mit Kinderbüchern. Auch wenn das Thema Missbrauch an diesem Abend nicht auf der Tagesordnung steht, ist es in der Solinger Gemeinde allgegenwärtig. "Da wird im Moment oft drüber gesprochen", bestätigt Dorothea Musolf, die zuletzt im katholischen Frauenkreis darüber diskutiert hat.

Selbstverständnis in Frage gestellt

Doch bei den vielen Gesprächen geht es nicht nur um das Schicksal der Opfer, sondern oft auch um das katholische Selbstverständnis. "Die Missbrauchsfälle hat es leider auch in der katholischen Kirche gegeben, so wie in anderen Organisationen und Einrichtungen", meint Steinebach, der es schwer fällt, die richtigen Worte zu finden. Sie hat das Gefühl, dass die Vergehen der Kirche kritischer bewertet werden als die anderer Organisationen. "Sicherlich, wir stellen ja selbst einen höheren moralischen Anspruch an uns, aber es tut doch weh, nun in gewisser Weise am Pranger zu stehen."

Sich wegen der begangenen Missbräuche als Katholik rechtfertigen zu müssen, fällt vielen Gemeindemitgliedern schwer. "Man wundert sich, warum das nun alles so geballt aufkommt", sagt Dorothea Musolf. Sie meint, das Thema Missbrauch werde auch dazu genutzt, die katholische Kirche ganz allgemein zu kritisieren, etwa wegen des Festhaltens am Zölibat. Eine Beobachtung, die auch Monika Steinebach bestätigt. "Da reden viele Leute mit, die nur zu Weihnachten und Ostern in die Kirche kommen und vom Gemeindeleben nichts wissen."

"Der Papst handelt richtig"

Dass ein klares Wort des Papstes zum Missbrauch in der katholischen Kirche fehlt, bezweifeln die meisten in der Runde. "Ich meine, er hat bereits klar Stellung gegen den Missbrauch bezogen", erinnert sich Franz Grosjean. Von den Medien sei dies aber überhört worden, glaubt er. Und auch Dorothea Musolf ist sich sicher, dass der Papst in dieser Situation den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der Kirche nur verurteilen könne. "In den nächsten Tagen wird er sich sicherlich dazu äußern." Für sein Zögern zeigt die Solinger Gemeinde sogar Verständnis: "Er muss seine Worte schließlich mit Bedacht wählen, sonst wird er nur noch mehr kritisiert", meint Steinebach.

Neue Wege finden

Eine Lehre aus den Ereignissen zu ziehen, ist hingegen Heinz-Georg Honnef wichtig. "Wir müssen lernen, offener mit den Dingen umzugehen." Die öffentliche Aufarbeitung kritischer Themen sei für die katholische Kirche zwar ungewohnt, in einer modernen Gesellschaft aber notwendig. Damit könnten die Katholiken sogar eine neues Selbstbewusstsein gewinnen. "Unser Glaube gibt uns die Möglichkeit dazu."