Vier Jahre nach der Katastrophe
Loveparade-Unglück in Duisburg
Stand: 23.07.2014, 06:00 Uhr
Vier Jahre ist es am Donnerstag (24.07.2014) her, als bei der Loveparade in Duisburg 21 Menschen starben und über 500 zum Teil schwer verletzt wurden. WDR.de fasst den Stand der Dinge rund um das tödliche Unglück bei der Loveparade 2010 zusammen.
Von Nina Magoley
Um die 400.000 Besucher, so wird die Polizei später schätzen, haben sich am Nachmittag des 24. Juli 2010 auf einem Industriegelände in Duisburg versammelt, angereist teils von weit her. Junge Menschen vor allem, die an diesem warmen Sommertag nur eins im Sinn haben: Tanzen und Feiern. Denn die "Loveparade", einst gestartet in Berlin, war unter Techno- und Ravefans mittlerweile Kult und Feier-Höhepunkt des Jahres. Am Nachmittag stauen sich die Besucherströme an einem Tunneleingang, es entsteht eine Massenpanik, bei der schließlich 21 Menschen zu Tode kommen werden. Die Opfer stammen aus Deutschland, Australien, den Niederlanden, Spanien, Italien und China. Mehr als 500 weitere Besucher sind zum Teil schwer verletzt.
Ermittlungen beginnen
Darüber, wer für das Unglück verantwortlich ist, wird lange gestritten. Während die Duisburger Stadtverwaltung jede Verantwortung zurückweist, ermittelt die Staatsanwaltschaft Duisburg gegen den Veranstalter der Loveparade, die Firma Lopavent, und gegen Mitarbeiter der Stadt. Außer Verdacht stehen dabei allerdings der Firmeninhaber Rainer Schaller und der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland.
Über 3.500 Zeugen werden vernommen, die Ermittler sichten 76 Akten mit insgesamt mehr als 37.000 Seiten. Dazu kommen 19 Kartons mit Beweisgegenständen, Datenträger mit einem Volumen von rund 804 Terabyte sowie 963 Stunden Videomaterial. Ein britscher Experte wird mit einem unabhängigen Gutachten beauftragt.
Staatsanwaltschaft erhebt Anklage
Nach zähen dreieinhalb Jahren erhebt die Staatsanwaltschaft Duisburg am 11. Februar 2014 Klage am Landgericht Duisburg. Die Ermittler sind zu dem Schluss gekommen, dass die Katastrophe vermeidbar gewesen sei. Aufgrund von Fehlern bereits bei der Planung sei das Zu- und Abgangssystem zur Veranstaltung zusammengebrochen.
Angeklagt sind zehn Personen: Sechs Angestellte der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter der Veranstaltungsfirma. Vorgeworfen wird ihnen fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung. Allesamt weisen die Vorwürfe zurück. Lediglich als Zeugen dagegen sollen der ehemalige Lopavent-Geschäftsführer Schaller und Duisburgs Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland antreten. Es lägen "keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie selbst Einfluss auf die fehlerhafte Planung oder die Erteilung der rechtswidrigen Genehmigung genommen haben", erklärt Oberstaatsanwalt Horst Bien. Sie hätten darauf vertrauen dürfen, dass "die für die Planung und Genehmigung Verantwortlichen das Vorhaben aufgrund ihrer Fachkenntnisse ordnungsgemäß prüfen würden".
Klage wird geprüft
Zugelassen ist die Klage damit noch nicht. Am 10. März 2014 wird den Beschuldigten die Anklageschrift zunächst zugestellt. Sie bekommen drei Monate Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Anfang Juli 2014 gibt das Landgericht bekannt, dass die Klage nun in einem sogannten Zwischenverfahren geprüft werde. Die Kammer untersuche dabei, ob "die tatsächlichen Umstände, auf die die Anklage sich stützt, in einer etwaigen Hauptverhandlung voraussichtlich bewiesen werden können". Weil das offenbar ein aufwändiges Verfahren ist, sei mit einer Entscheidung nicht vor Mitte September zu rechnen. Für Informationen rund um das Verfahren hat das Landgericht Duisburg eigens eine Internetseite eingerichtet.
Erste Zivilklage gegen das Land NRW
Parallel zu dieser Klage geht am 18. Juli 2014 eine Zivilklage beim Landgericht Duisburg ein. Eine Bochumer Anwältin will für 30 Verletzte und Traumatisierte Schmerzensgeld und Schadenersatz erstreiten. Viele ihrer Mandanten hätten mit massiven Gesundheitsbeeinträchtigungen zu kämpfen. Ein Großteil sei nicht mehr arbeitsfähig. Die Klage richtet sich gegen den Veranstalter Rainer Schaller, die Stadt Duisburg und das Land NRW als Dienstherren der Polizei. Es ist die erste Zivilklage gegen das Land NRW. Nach Ansicht der Anwältin hätte die Polizei die Loveparade verhindern oder zumindest abbrechen können. Schaller habe seine Aufsichtspflicht verletzt.
Ringen um eine Gedenkstätte
Ähnlich lang und zäh wie die Ermittlungen um den Hergang gestaltet sich die Einigung aller Beteiligten auf eine würdige Gedenkstätte. Die Stadt Duisburg hatte zunächst geplant, ein Mahnmal im Duisburger Innenhafen zu platzieren - einem Ort, der den Duisburgern gewöhnlich als Feiermeile dient. Die empörten Betroffenen dagegen fordern eine Gedenkstätte direkt am Ort des Unglücks. Im Juni 2011 wird unweit der Unglücksstelle in der angrenzenden Karl-Lehr-Straße ein Mahnmal für die Opfer der Katastrophe eingeweiht. Es zeigt 21 übereinander liegende Stahlstäbe.
Eine Installation unmittelbar an dem Tunnel, an dem die 21 jungen Menschen starben, scheitert zunächst, weil der Besitzer des Geländes dort ein Möbelhaus bauen will. Schließlich einigt man sich doch auf ein 500 Quadratmeter großes Feld direkt vor Ort, das die Treppe mit einschließt, über die sich viele während der Massenpanik zu retten versuchten. 21 Holzkreuze, jeweils mit dem Vornamen und Alter des Opfers, stehen nun dort auf die Stufen verteilt, dazu 21 Herzen aus Schiefer mit Erinnerungsgrüßen. Am Fuß der Treppe liegt eine Gedenktafel mit der Aufschrift "Duisburg gedenkt der Opfer der Loveparade 24. Juli 2010". Die Gedenkstätte wird am 24. Juli 2013 von Betroffenen aus fünf Ländern und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) eingeweiht.
Opfer kämpfen mit Trauma und um Unterstützung
Für die Überlebenden der Katastrophe und die Angehörigen der Opfer ist das Drama auch nach vier Jahren noch längst nicht überstanden. In verschiedenen Initiativen - Lopa 2010, BI Gegen das Vergessen - treffen sie sich regelmäßig, um sich gegenseitig zu unterstützen. Einige Traumatisierte müssten noch immer um einen Therapieplatz kämpfen, sagt Jörn Teich, Sprecher der Initiative Lopa 2010. Familien seien zwischenzeitlich zerbrochen, die Zahl der Todesopfer durch Suizide auf 27 gestiegen. Teich fordert die Einrichtung einer Stiftung, die eine adäquate Nachsorge für die Traumatisierten und Verletzten gewährleistet.
Gedenkfeiern zum Jahrestag
Nacht der 1000 Lichter
Für den Vorabend des Jahrestags der Tragödie plant die Initiative - wie schon in den vergangenen Jahren - eine "Nacht der Tausend Lichter" an der Gedenkstätte am Unglücksort. Die Stadt Duisburg hat für den Donnerstag (24.07.2014) eine öffentliche Gedenkfeier angekündigt.