Jürgen Meister bei der Präsentation seines Entwurfes

Eklat um Mahnmal für Loveparade-Opfer

Motiv für die Gedenk-Stelle geklaut?

Stand: 22.12.2010, 18:39 Uhr

Nur zwei Tage, nachdem er der Öffentlichkeit präsentiert wurde, ist der Entwurf einer Gedenkstele für die Opfer der Loveparade hinfällig. Die Duisburger Bürgervereine, die die Stele errichten wollten, fühlen sich von dem Künstler vorgeführt.

Vor zwei Tagen dachten sie noch, sie hätten es geschafft. Aus 39 Vorschlägen hatte die Jury der Duisburger "Initiative Spendentrauermarsch", die von mehreren Duisburger Bürgervereinen getragenen wird, einstimmig einen Gewinner bestimmt. Jürgen Meister, Künstler aus Grevenbroich, sollte ein zwei mal sechs Meter großes Stahlrelief erstellen. Mit ihm sollte der 21 Todesopfer der Duisburger Loveparade-Katastrophe vom 24. Juli 2010 gedacht werden. Stolz präsentierte man sich der Presse. Laut Jury hätte das Relief auf der einen Seite eine Gruppe junger, fröhlicher, tanzender Menschen gezeigt. Zugleich seien die in den Himmel gestreckten Arme aber auch als Zeichen für Hilfe suchende Menschen zu verstehen, die in Panik und Angst geraten seien. Finanziert werden sollte die Stele mit rund 26.000 Euro Spendengeldern, die die Initiative bei einem Trauermarsch im August gesammelt hatte.

"Wir fühlen uns vom Künstler getäuscht"

Am Mittwochnachmittag (22.12.10) dann das Aus für den Entwurf. Der Grevenbroicher Künstler Jürgen Meister hat seinen Entwurf zurück gezogen, nachdem Plagiatsvorwürfe laut wurden. Josef Krings, ehemaliger Duisburger Oberbürgermeister und Vorsitzender der "Initiative Spendentrauermarsch", macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: "Wir fühlen uns vom Künstler getäuscht. Wir werden nicht mehr weiter mit ihm zusammenarbeiten." Das habe die Jury der Initiative, in der auch drei Eltern von Loveparade-Opfern vertreten sind, heute einstimmig beschlossen. Begründung: Künstler Jürgen Meister hatte der Initiative nicht mitgeteilt, dass er seinen Entwurf nach einer Vorlage aus dem Internet gestaltet hat. Für wenige Euro Gebühr hatte er eine Fotomontage von der Online-Fotoagentur Fotolia heruntergeladen, diese leicht bearbeitet und nun als seinen Entwurf präsentiert. Besonders empört Josef Krings, und - wie dieser betont, vor allem die Eltern der Loveparade-Opfer, dass man sich vor zwei Wochen noch lange mit Meister unterhalten habe. "Dabei sagte er mit keinem Wort, wo er seine Vorlage her hatte." Ob Meister nun urheberrechtlich korrekt oder nicht gehandelt hat (immerhin hat er die Gebühren für die Vorlage bezahlt), interessiert Krings nicht weiter. "Hier geht es eben um ein Denkmal, und damit um Emotionen." Nachdem man nun auch noch habe feststellen müssen, dass die Vorlage bereits für Werbung zur Weltmeisterschaft und zum Karneval benutzt worden sei, sei der Entwurf schlicht und einfach "verbrannt".

Ein ganz normaler Vorgang?

Jürgen Meister selbst war heute für WDR.de nicht zu erreichen. Gestern hatte er gegenüber der Spendeninitiative die Plagiatsvorwürfe noch schriftlich zurückgewiesen. Er habe die Rechte an der Vorlage erworben, dürfe diese damit weiter verwenden und verändern. In der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts sei es vollkommen normal, dass sich Künstler gegenseitig zitierten und von allen möglichen Quellen inspirieren ließen. "Früher haben sich Künstler von der Natur inspirieren lassen, ich lasse mich von der modernen Welt, von Grafiken, Fotos und Bildern inspirieren, wie sie auf solchen Internet-Plattformen zu sehen sind."

Katrin Jentjens, Direktorin des Kölnischen Kunstvereins, kann die Sichtweise des Künstlers durchaus nachvollziehen. "Wenn man die Vorlage rechtmäßig erworben hat, ist das in Ordnung. Man darf Quellen weiterverarbeiten. Das ist Teil des künstlerischen Wettbewerbs und nicht per se ein Plagiat." Berühmte Künstler des 20. Jahrhunderts wie Marcel Duchamp und Andy Warhol hätten über weite Teile ihres Werkes andere Künstler zitiert und wild kopiert, sagt Jentjens. "Das gibt es häufig. Man sieht ja auch Bilder in einer Ausstellung, lässt sich davon inspirieren oder bindet sie in eigene Werke ein." Im Klartext: "Allein die Umwandlung einer Vorlage in ein anderes Werk ist bereits ein künstlerischer Prozess." Ganz unabhängig davon bezweifelt Fachfrau Jentjens aber die künstlerische Qualität der nun verworfenen Stele: "Ich finde das Motiv schwierig, weil es so nach Party aussieht. Das Denkmal sollte ja eine Diskussion anstoßen, und da finde ich das gewählte Motiv nicht passend."

Ein neuer Anlauf Mitte Januar

Seitdem die Duisburger Spendeninitiative weiß, dass mit dem Motiv bereits für Karneval geworben wurde, sieht sie das genauso. Ex-Oberbürgermeister Josef Krings gibt das Denkmalprojekt nicht auf, auch die Angehörigen der Opfer wollen es weiter errichten. Krings betont, jetzt müssten "alle Beteiligten die Enttäuschung erst einmal verkraften." Man will sich nun Mitte Januar erneut treffen. Alle anderen 38 Entwürfe, außer jenem des Jürgen Meister, seien nun "neu im Rennen."