Erster Loveparade-Zivilprozess

"Keine Aussicht auf Erfolg"

Stand: 01.09.2015, 14:16 Uhr

  • Kläger hat kaum Aussichten auf Schmerzensgeld- und Schadenersatzzahlungen
  • Anwältin will voraussichtliches Urteil anfechten
  • Urteil wird am 5. Oktober verkündet

Von Nina Giaramita

Der Vorsitzende Richter des Verfahrens, Stefan Ulrich, machte gleich zu Beginn sämtliche Hoffnungen des Klägers zunichte: "Diese Klage hat keine Aussicht auf Erfolg." Der Kläger ist Ralf Strutz, ein städtischer Feuerwehrmann, der an dem Tag, an dem die Loveparade stattfand, im Einsatz war und mitansehen musste, wie das Unglück seinen Lauf nahm. Der 53-Jährige ist inzwischen dienstunfähig und leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Seine Anwältin, Bärbel Schönhof, ist für ihn mit der Forderung ins Gericht gezogen, dass das Land NRW, Rainer Schaller und dessen veranstaltende Firma Lopavent GmbH, 90.000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz zu zahlen haben.

Loveparade-Unglück 2010

Vor fünf Jahren geschah die Loveparade-Katastrophe.

Der Vorsitzende Richter führte jedoch aus, dass der Feuerwehrmann kein unmittelbar Betroffener gewesen sei. Darüber hinaus betonte Richter Ulrich: "Bei Ihnen ging es um ein typisches Berufsrisiko." Als Feuerwehrmann könne man keinen Schadenersatz geltend machen, wenn man durch einen Einsatz mitansehen müsse, wie andere zu Tode kommen oder körperlich verletzt werden. "Es ist sehr tragisch, dass sie daraufhin psychisch erkrankt sind, aber auf Grundlage unseres Schadenersatzrechts können Sie bei den Veranstaltern sowie beim Land NRW keine Ansprüche geltend machen."

Emotionale Reaktion des Klägers

Die Anwältin des Klägers, Bärbel Schönhof, wandte ein, dass er durchaus unmittelbar Betroffener gewesen sei: "Er hat nicht nur den Schock der anderen erlebt, sondern wurde selbst körperlich bedrängt." Darüber hinaus habe er sich der schrecklichen Situation auf dem Gelände nicht entziehen können. Genau diese Argumentation wollte der Anwalt der Firma Lopavent GmbH sowie von Geschäftsführer Rainer Schaller, Hermann Schumacher, nicht gelten lassen. "Der Kläger war nicht im Tunnel, und damit nicht im unmittelbaren Bereich des Geschehens." Der Anwalt des darüber hinaus beklagten Landes NRW, Ingo Minoggio, führte zudem aus, dass der Kläger erst vier Monate nach dem Unglück nachweislich behandelt worden sei.

Feuerwehrmann Ralf Strutz, selbst im Gerichtssaal anwesend, reagierte auf diese Ausführungen sehr emotional. "Eine posttraumatische Belastungsstörung baut sich allmählich auf. Ich habe es erst selbst nicht gemerkt, dass ich ich krank war." Dem pflichtete auch der Richter bei: "Das, was sie geschildert haben, trifft zu. Ich verstehe, dass Sie das sehr mitnimmt", wandte sich der Vorsitzende Richter Ulrich direkt an Ralf Strutz. "Wir müssen aber den Vorgang rein rechtlich beurteilen." Nach der Verhandlung zeigte sich Strutz enttäuscht – und kündigte an, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof gehen zu wollen. Seine Anwältin Bärbel Schönhof sagte, sie wolle das Urteil anfechten – falls die Klage, wie es sich abzeichnet, abgewiesen wird. "Es hat eine fatale Signalwirkung, dass man in der Rechtsprechung keine Rücksicht auf professionelle Nothelfer nimmt, die das Kind aus dem Brunnen holen müssen, das andere dort hinein geschubst haben." Das Urteil wird am 5. Oktober verkündet.

Insgesamt sind 19 Zivilverfahren am Duisburger Gericht anhängig. Die weiteren Verfahren, die in diesem Jahr verhandelt werden, werden ebenfalls von der Bochumer Anwältin Bärbel Schönhof vertreten. Ein mögliches Strafverfahren wird erst für das nächste Jahr erwartet.