Steuer für Dortmunder Prostituierte

Tagestickets für den Straßenstrich

Stand: 08.12.2010, 14:15 Uhr

Leere Kassen machen Kämmerer kreativ: Dortmund hat die Sexsteuer eingeführt. Sechs Euro müssen Prostituierte pro Arbeitstag zahlen, auch auf dem Straßenstrich. Seit Montag (06.12.10) gilt: Erst ins Stundenhotel gehen und ein Tagesticket lösen, dann an die Straße stellen.

Von Ilka Platzek

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Das Stundenhotel in der Dortmunder Nordstadt vermietet Zimmer an eilige Gäste - und nimmt 15 Euro für die halbe Stunde. Neuerdings wird die Theke auch als Ticketschalter genutzt. Schon draußen weisen DIN-A4-Zettel den Weg: "Ausgabe Tagesticket Vergnügungssteuer" steht da zu lesen. "Christian", ein Angestellter des Etablissements erklärt, dass das Steueramt der Stadt Dortmund die Betreiber des Stundenhotels darum gebeten hat, die Tickets zu vertreiben. "Eigentlich sind wir ja gegen die Steuer", beteuert er, "aber wenn die Mädchen schon zahlen müssen, warum dann nicht hier. Wir machen das unentgeltlich," versichert er. Und fügt lachend hinzu: "Wir sind jetzt Handlanger der Stadt - das ist schon komisch, wir arbeiten jetzt für die Kommune, in der wir wohnen und leben."

Sexsteuer soll leere Stadtkassen füllen

Nicht nur in Dortmund will man auf diese Weise Vergnügungssteuer kassieren. Vorbild für die klammen Kommunen war Köln: Dort gibt es die Steuer bereits seit 2004. In Duisburg wurde sie Mitte des Jahres als Erweiterung der Vergnügungssteuersatzung eingeführt, beinahe zeitgleich mit Dortmund. Auch hier sollen Prostituierte sechs Euro pro Arbeitstag zahlen. Düsseldorf mit seinem ausgeglichenen Haushalt plant 2011 keine Steuererhöhungen und verzichtet "auf die Einführung exotischer Steuern", so der Oberbürgermeister Dirk Elbers kürzlich bei der Vorstellung des Etats 2011. In Bochum und Essen gibt es - trotz leerer Kassen - keine Sexsteuer. Sie ist auch nicht geplant.

Anonymität ist den Frauen wichtig

Frauen an der Straße benötigen das Ticket | Bildquelle: WDR/Platzek

Es war ein schwieriges Geschäft, in Dortmund die Sexsteuer einzuführen. Nachdem die so genannte Vergnügungssteuersatzung bereits vor der Sommerpause vom Rat der Stadt verabschiedet worden war, brüteten die Mitarbeiter des Stadtsteueramtes monatelang darüber, wie man sie am besten umsetzen könne. Eigentlich sollte digital kontrolliert und kassiert werden. Mit Geräten, wie man sie von den Politessen kennt und persönlichen Ausweisen im Scheckkartenformat für die Prostituierten. Aber das kam bei den meisten Frauen gar nicht gut an.

Maria, eine der ersten Käuferinnen des Tagestickets, erklärt: "Man ist ja nicht stolz auf das, was man da tut und deshalb ist man lieber anonym bei der Sache." Auf diversen Informationsveranstaltungen der Stadt hagelte es Kritik am geplanten Ausweis. Schließlich entstand die Idee, anonyme Tagestickets anzubieten, möglichst in der Nähe des Straßenstrichs. So wurde das Stundenhotel an der Juliusstraße in der Nordstadt zum Ticketshop. Bei der Stadt ist man zufrieden mit dieser Lösung. Sie ist sogar preiswerter als die digitale Variante, erklärt Michael Meinders, der Stadtpressesprecher. "Dazu kommt, dass ich sie auch gut kontrollieren kann. Ist die Steuer bezahlt, ist alles gut."

Wer nicht zahlt, wird geschätzt

Und wenn Frauen ohne Ticket angetroffen werden? "Wer nicht bezahlt, hinterzieht Steuern. Wir wollen aber nicht gleich hart reagieren, sondern erst einmal informieren," beschwichtigt Meinders. Aber nach einer Übergangsphase droht zahlungsunwilligen Frauen die Steuerschätzung. "Dann gehen wir von 25 Arbeitstagen pro Monat aus." Das wären dann 150 Euro. Viel Geld für die Kleinverdienerinnen unter den Huren, von denen es viele gibt. Die Hilfsorganisationen Mitternachtsmission und Kober lehnen die Steuer deshalb komplett ab. Auf dem Dortmunder Straßenstrich seien die Preise für sexuelle Dienstleistungen im Keller. Zu viele Frauen würden dort miteinander konkurrieren. Ein "Vergnügen" sei es nicht, dort zu stehen, meint Elke Rehpöhler von der Hilfsorganisation Kober. "Ich finde es zynisch, bei den Frauen die Vergnügungssteuer zu kassieren. Das hätte man besser auf die Kunden umlegen müssen."

500.000 Euro für die Stadt

Erst einmal kassiert die Stadt Sexsteuer von den Prostituierten. "Wir rechnen mit Steuereinahmen von 750.000 Euro im Jahr. Abzüglich der Personal- und Sachkosten müssten gut 500.000 Euro übrig bleiben," sagt Meinders. Das ist nicht wirklich viel bei einem Zwei-Milliarden-Haushalt, aber die Stadt prüft bereits weitere Einnahmequellen. Etwa Schranken vor den Verrichtungsboxen, eigentlich ein Vorschlag der Hilfsorganisationen. Nicht nur Elke Rehpöhler vertritt die These: "ein bis zwei Euro täten den Freiern weniger weh als den Prostituierten die sechs Euro". Diese Idee wird gerade geprüft. Allerdings nicht, um die Frauen zu entlasten, sondern als weitere Verdienstmöglichkeit für die Stadt.

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