Islamunterricht lässt auf sich warten

Koordinationsrat der Muslime soll in Beirat mitwirken

Islamunterricht ab 2012 in ganz NRW

Stand: 02.03.2011, 06:00 Uhr

Ab dem Schuljahr 2012/2013 will NRW als erstes Bundesland flächendeckend den islamischen Religionsunterricht einführen. Darauf haben sich das Schulministerium und der Koordinationsrat der Muslime (KRM) geeinigt.

Von Dominik Reinle

"Das ist eine gute Nachricht für die 320.000 muslimischen Schüler in NRW", sagte Professor Mouhanad Khorchide zu WDR.de. "Damit kann ihnen in absehbarer Zeit islamischer Glaube auf hohem Niveau vermittelt werden." Khorchide bildet an der Universität Münster die dafür vorgesehenen staatlich geprüften islamischen Religionslehrer aus.

NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hatte am Dienstag (22.02.2011) vergangener Woche "den entscheidenden Durchbruch" verkündet: Nach jahrelangen erfolglosen Gesprächen haben nun Ministerium und Koordinationsrat ein gemeinsames Vorgehen vereinbart. "Den ersten islamischen Religionsunterricht an Schulen in NRW könnte es zum Schuljahr 2012/2013 geben", so Löhrmann. Die Versorgung soll nach und nach flächendeckend erfolgen. Nach Einschätzung von Khorchide müssen dafür insgesamt 800 islamische Religionslehrer ausgebildet werden.

Beirat übernimmt gleiche Rolle wie Kirchen

Mouhanad Khorchide mit seiner Veröffentlichung "Islam ist Barmherzigkeit"

Mouhanad Khorchide

Bevor jedoch der islamische Religionsunterricht in NRW überhaupt starten kann, müssen noch organisatorische und rechtliche Vorbedingungen erfüllt sein. So wollen Schulministerin Löhrmann und der Koordinationsrat zunächst einen Beirat einberufen. Dieser soll die religiösen Grundsätze der Muslime gegenüber dem Land formulieren und bei der Erstellung der Lehrpläne sowie der Ausbildung und Auswahl der Religionslehrer mitwirken. Die verabredete Mitwirkung soll zwar einvernehmlich erfolgen, sie bedeute aber keine Mitentscheidung, sagte eine Ministeriumssprecherin zu WDR.de: "Es handelt sich beim islamischen Bekenntnisunterricht in NRW um einen staatlichen Unterricht. Der Lehrplan wird vom Land vorgegeben."

Damit soll der Beirat bei der Zusammenarbeit mit dem Ministerium eine Rolle wie die Kirchen beim evangelischen und katholischen Religionsunterricht übernehmen. Ziel ist dabei die Gleichbehandlung des Islams. Die Mitglieder des Beirates müssen muslimischen Glaubens sein.

Änderung des Schulgesetzes

Bisher waren die Gespräche über die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts in NRW daran gescheitert, dass es auf islamischer Seite noch keine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft gibt. Damit der Beirat diese Rolle übernehmen kann, soll er nun durch eine Änderung des Schulgesetzes rechtlich abgesichert werden.

Eine entsprechende Gesetzesnovelle soll nach dem Willen der rot-grünen Regierung noch vor der Sommerpause ins Parlament eingebracht werden, wie die Ministeriumssprecherin sagte. Das Gesetz könne dann noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Löhrmann hofft dabei auch auf die Unterstützung der NRW-CDU. Die Christdemokraten kündigten allerdings an, die Vereinbarung genau prüfen zu wollen.

Kritik von muslimischer Seite

Vorbehalte gegenüber der Einigung zwischen dem Schulministerium und dem Koordinationsrat gibt es auch auf muslimischer Seite. "Wir halten es für falsch, wenn bei einer solchen Vereinbarung nur mit den konservativen Verbänden des Koordinationsrates gesprochen wird", kritisiert Lamya Kaddor, Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes (LIB) mit Sitz in Köln. "Wir fordern deshalb einen Platz im geplanten Beirat", sagte sie WDR.de. Kaddor ist seit Jahren Lehrerin für "Islamkunde in deutscher Sprache" innerhalb eines Modellversuchs an einer Schule in Dinslaken.

Auch die Alevitische Gemeinde Deutschland mit Sitz in Köln kritisiert, dass der Koordinationsrat der einzige Ansprechpartner für die Einführung des Religionsunterrichts sei. Eine Ministeriumsprecherin wies die Vorwürfe zurück: "Weder die Anzahl der Sitze des geplanten Beirates, noch dessen Zusammensetzung sind bereits festgelegt." Interessierte könnten durchaus das Gespräch mit der Landesregierung suchen. Der Sprecher des Koordinationsrates, Erol Pürlü, sagte WDR.de, über mögliche Mitglieder im Beirat würden Ministerium und Koordinationsrat später "einvernehmlich" entscheiden - mit dabei seien aber auf jeden Fall die Mitglieder des Koordinationsrates.

Aleviten: Koordinationsrat ist undemokratisch

Dem vor vier Jahren gegründeten Koordinierungsrat gehören der Zentralrat der Muslime, der unter staatlicher Aufsicht der Türkei stehende Dachverband Ditib, der Islamrat und der Verband der Islamischen Kulturzentren an.

Nach Meinung der Alevitischen Gemeinde, deren Religionsunterricht an staatlichen Schulen bereits eingeführt wurde, ist der Koordinationsrat allerdings "undemokratisch" organisiert. Denn Ditib besitze als einzige Organisation ein Vetorecht. Diese Regelung bestätigte zwar Koordinationsratssprecher Pürlü, bewertete sie aber nicht als undemokratisch: "Unsere Einzelverbände können nur gemeinsam entscheiden."

Khorchide: Akzeptanz des Koordinationsrates erhöhen

Da der Koordinationsrat den Status einer Religionsgemeinschaft anstrebt, hat er in der Vereinbarung mit dem Schulministerium durchgesetzt, dass der geplante Beirat eine befristete Übergangslösung ist - bis auf Seiten der Muslime die Anforderungen an eine Religionsgemeinschaft erfüllt sind.

Der Koordinationsrat nimmt für sich in Anspruch, 80 bis 90 Prozent der organisierten Muslime in der Bundesrepublik zu vertreten. Bezogen auf alle 4,3 Millionen Muslime, die in Deutschland leben, repräsentiert der Koordinationsrat allerdings nur rund 20 Prozent. "Es wäre deshalb wünschenswert, wenn möglichst viele islamische Strömungen eigene Organisationen gründen und sich dem Koordinationsrat anschließen würden", sagte der Münsteraner Professor Khorchide. "Damit würde auch dessen Akzeptanz unter Muslimen steigen."

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