Schilder mit durchgestrichener Moschee auf Laderampe von LKW

In Köln eskaliert der Streit um den Islam

Schrille Töne im Moschee-Streit

Stand: 15.06.2007, 11:31 Uhr

Am Samstag (16.06.2007) finden in Köln-Ehrenfeld mehrere Demonstrationen statt, gegen und für den dortigen Moscheebau. Seit Wochen wird der Streit immer hitziger. Was macht das Bauvorhaben zu einem Stein des Anstoßes?

Von Gregor Taxacher

Eine Szene abseits der Schlagzeilen: Dieser Tage decken Arbeiter in Duisburg-Marxloh das Dach eines Moschee-Neubaus. Drinnen kümmert sich der Architekt schon um die Gestaltung des Gebetsraumes. Man ist in Zeitverzug geraten, aber gegen Ende des Jahres soll die bisher größte Moschee Nordrhein-Westfalens eingeweiht werden. Die angeschlossene Begegnungsstätte empfängt jetzt schon Besuchergruppen aus ganz Deutschland, aber auch aus dem Viertel. Im September, wenn Ramadan ist, soll ein Festzelt vor der Moschee Gläubige und Besucher zu den abendlichen Feiern des Fastenbrechens aufnehmen. Ein Politikum ist das alles in Duisburg derzeit nicht.

Kölner Moscheestreit drängt auf die Straße

Szenenwechsel: In Köln plant der gleiche islamische Verband wie in Duisburg, die türkische Ditib, eine große Moschee an dem Platz, an dem sie jetzt schon ihre Verwaltung, ihr Begegnungszentrum und eine von außen nicht erkennbare Moschee betreibt. Aber hier ist man von der Duisburger Ruhe weit entfernt: Auf Bürgerversammlungen im Stadtteil finden hitzige Debatten statt, prominente Kölner und Nicht-Kölner sprechen sich für oder gegen den Moscheebau aus. Vorläufiger Höhepunkt: Am Samstag (16.06.2007) tragen gleich mehrere Demonstrationen den Streit auf die Straße.

Rechte beschwören "Europäische Dimension"

Die Partei "Pro Köln" erwartet rechtspopulistische Gesinnungsfreunde aus Belgien und Österreich zu ihrer Anti-Moschee-Kundgebung. So soll Bart Debie eine Rede halten. Der belgische Ex-Polizist ist vom Dienst suspendiert, weil ihm Gewalt gegen Ausländer im Dienst vorgeworfen wird. Er tritt an der Seite des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache auf, der in Österreich wegen seiner Vergangenheit in einer paramilitärischen Jugendgruppe unter Druck geriet. "Pro Köln" ist stolz auf die ausländische Unterstützung, denn dadurch erhalte - so ihr Vorsitzender Markus Beisicht - "der Widerstand gegen die Islamisierung Kölns eine europäische Dimension." Die Dimension ihres Protestes schätzten die Veranstalter allerdings eher zurückhaltend ein: Sie haben 200 Teilnehmer angemeldet - reichlich wenig angesichts ihrer These, die Mehrheit der ansässigen Bürger sei gegen die Moschee.

CDU in Entscheidungsnot

Eine große Koalition von Kirchen, Gewerkschaften und Parteien ruft zur Gegendemonstration auf. Antifaschistische Gruppen und "Schüler gegen Rechts" halten ihre eigenen Kundgebungen ab. Ein Stadtteil im Ausnahmezustand, auch wenn die Polizei "keine besonderen Vorkommnisse" erwartet. Bei der Demonstration "für das friedliche und respektvolle Miteinander" sind alle politischen Lager von der FDP bis zur DKP versammelt. Nur die CDU kann sich nicht recht entscheiden, wo sie hin gehört: Auf Stadtebene ist sie bislang für den Bau der Moschee, der Ehrenfelder Ortsverein agitiert dagegen. Jetzt soll ein Parteitag im August neu entscheiden.

Architektur-Diskussion ...

Aber nicht die Christdemokraten machen die Diskussion in Köln für den Beobachter so undurchsichtig, sondern die verwirrende Themenmischung und die schrillen Töne. Bürgereinwände gegen den Bauplan des renommierten Architektenbüros von Paul Böhm beziehen sich auf fehlende Autostellplätze, auf den Sinn oder Unsinn von 55 Meter hohen Minaretts, auf den angeblich allzu "osmanischen Stil", aber auch auf den möglichen Wertverlust der Nachbargrundstücke. Das sind lauter Bedenken, die das Recht eines islamischen Verbandes, sein Gebets- und Versammlungsgebäude zu errichten, nicht in Frage stellen. Dass es um dieses Recht auf Religionsfreiheit geht, ist bislang Konsens der Kölner Ratsfraktionen - von den Rechten abgesehen.

... oder Kulturkampf?

Baupläne scheinen jedoch in der Debatte der vergangenen Wochen kaum mehr eine Rolle zu spielen. Das wurde besonders deutlich, als der Publizist Ralph Giordano sich in einer Internet-Fernsehdiskussion mit grundsätzlich islamkritischen Argumenten gegen die neue Moschee aussprach: Er bezeichnete die Integration rundheraus als gescheitert und die islamischen Verbände als undemokratisch. Verschleierte Frauen dokumentierten ihre eigene Unterdrückung und kämen ihm vor wie "menschliche Pinguine".

Kölner Politiker reagierten genervt: Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) fand Giordanos Diskussionsbeitrag "wenig hilfreich". Die Bundestagsabgeordnete Lale Akgün (SPD) beharrte auf der Einschätzung, "die Mehrheit der hier lebenden Menschen aus islamischen Ländern ist sehr wohl angekommen." Von ganz rechts erhielt Giordano Beifall, von türkischen Anrufern Drohungen. Daraufhin teilte der jüdischen Autor nach beiden Seiten aus: "Pro Köln" sei eine "Variante des zeitgenössischen Nationalsozialismus", die Islamisten dagegen streckten ihre "Tentakeln von Zentral- und Vorderasien bis in die Mitte Europas aus". Er wolle eine Koalition mit "säkularisierten Muslimen" gegen eine "schleichende Islamisierung Deutschlands". Was das alles konkret für die Frage der Baugenehmigung einer Moschee zu bedeuten hat, verriet Giordano nicht. Es gäbe ja auch Lösungen zwischen "Hinterhof" und "Großmoschee", sagte er zuletzt. Kleinere Gotteshäuser als Ausweg aus dem zuvor ausgerufenen Kulturkampf?

Die Moschee als Symbol

Leyla Özmal, Integrationsbeauftragte der Stadt Duisburg, hat für die Kölner Aufgeregtheiten im Prinzip durchaus Verständnis. In ihrem Stadtteil Marxloh habe man es vielleicht einfacher gehabt, weil er schon seit längerem überwiegend türkisch geprägt sei. Köln-Ehrenfeld dagegen schätzt sie als ein traditionelles kleinbürgerliches Viertel ein, das seine multikulturelle Veränderung noch nicht verarbeitet habe. "Unsere Gesellschaft verändert sich, aber wir sprechen an der Basis zu wenig mit allen darüber", sagt Özmal. Auch eine Demonstration gegen eine Moschee sei an sich in einer pluralistischen Demokratie legitim. "An einer Moschee kann man sich reiben." Was sie allerdings erschreckt, ist die Instrumentalisierung der Unsicherheit von Bürgern für fremdenfeindliche Parolen. "Diese globalen fremdenfeindlichen Parolen haben mit Köln recht wenig zu tun", sagt Özmal. Gegen den Angriff der Rechten solle man nicht die Moschee verteidigen, sondern die Demokratie. "Als vor zwei Jahren Neonazis einen Aufmarsch gegen die Duisburger Moschee machten, haben die demokratischen Kräfte in der Innenstadt demonstriert, vor dem Rathaus, um klar zu machen: Die Nazis sind unser Problem, nicht die Moschee", erzählt sie.

"Leitkultur"-Debatte in neuem Gewand

Özmals Analyse bestätigt der Politikwissenschaftler Claus Leggewie. Der Moscheebau, sagte er in einem Radiointerview, sei das sichtbare Zeichen, dass der Islam in Deutschland angekommen sei und dass viele seiner Anhänger auch hier auf Dauer ihre Religion leben wollten. "Exakt diese Demonstration einer festen Ansiedlung ist das, was viele Bürgerinnen und Bürger schreckt oder auch empört oder auch den Widerstand hervorruft", sagte Leggewie.

Das klingt einleuchtend, wenn man sich eine der Formulierungen Ralph Giordanos anhört: Für ihn ist die große Moschee "Religionsausdruck einer anderen und fremden Kultur." Wenn das ausreicht, um ihr Verbot zu fordern, dann ist der Moschee-Streit offenbar ein Teil der "Leitkultur"-Debatte. Nimmt man den anderen ihr Bekenntnis zur demokratischen Ordnung erst ab, wenn sie nicht mehr "fremd" erscheinen? Leyla Özmal findet es sogar gut, dass ein Giordano - und nicht nur die Rechten - solche Gedanken ausspricht. "Was in Köln fehlt, ist eine ähnlich prominente Stimme, die das Thema sachlicher, differenzierter und weniger angstbesetzt darstellt", meint sie.