Nicht nur Zustimmung für Kopftuchträgerin
Mit Kopftuch im Bonner Stadtrat
Stand: 30.10.2009, 11:57 Uhr
Die Bonner Ratspolitikerin Hülya Dogan ist die erste Kopftuchträgerin, die in ein deutsches Kommunalparlament zieht. Die Kollegen freuen sich auf die Zusammenarbeit, einige Bürger und eine Menschenrechtsaktivistin sehen Dogans neue Rolle kritisch.
Von Maria Kümpel
Hülya Dogan kann ihren Erfolg immer noch nicht fassen. Kurz vor der Kommunalwahl am 30. August 2009 hatte sie sich entschieden, für das Bündnis für Frieden und Fairness (BFF), eine muslimische Wählergemeinschaft aus Bonn, zu kandidieren. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich kaum Chancen auf ein politisches Amt ausgerechnet. Deshalb ist sie am Wahlabend auch früh nach Hause gegangen. Und dann kam der Anruf von BFF-Spitzenkandidat Haluk Yildiz. "Er sagte mir, Du bist auch drin! Und ich dachte: 'Oh!'", erinnert sich die 33-Jährige und strahlt vor Freude. Dogan ist laut Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) die erste Muslima in Deutschland, die mit Kopftuch im Kommunalparlament sitzt.
2.732 Stimmen für das BFF
Auch Yildiz wurde gewählt und sitzt seit Donnerstag (29.10.2009) im Stadtrat - gemeinsam mit Hülya Dogan. "2.732 Stimmen haben wir bekommen", sagt Yildiz nicht ohne Stolz. Denn eigentlich hatte er kaum Zeit für Wahlkampf. Gerade mal zwei Monate vor der Wahl hatte er das BFF gegründet. Die Stimmen zeigten, sagt er, dass auch die Migranten etwas bewegen könnten. Yildiz möchte den Migranten der Stadt eine Stimme geben, erklärt er. "Diese Menschen sehen sich von der Politik ausgeblendet. Es wird über sie geredet, anstatt mit ihnen zu reden. Ich möchte das ändern."
Religion in der Politik
Doch zunächst reden die Bonner auf dem Marktplatz über das BFF und die Politikerin mit dem Kopftuch. "Am Ende wissen wir nicht, ob wir hier im Abendland sind", sagt ein Passant. "Religion sollte man aus der Politik raushalten", meint eine Bürgerin. "Ich würde da nicht so viel hineininterpretieren", beschwichtigt ein anderer.
Yildiz findet dagegen: "Mit Hülya Dogan und mit ihrem Kopftuch haben wir ein Zeichen gesetzt. Denn es ist nun mal so, dass manche Leute aufgrund ihrer Religion ein Kopftuch tragen." Es werde Zeit, dass das als normal angesehen werde, sagt er.
Doch mehr als ein Stück Stoff?
"Das Kopftuch ist nicht nur ein Stück Stoff. Es ist eine Flagge für eine bestimmte politische Bewegung, genauer: für den politischen Islam", merkt Mina Ahadi an. Die gebürtige Iranerin ist Vorsitzende des Rates der Ex-Muslime. Die 52-jährige Wahlkölnerin hat ihrem Glauben vor Jahren den Rücken gekehrt. Darauf steht nach den Regeln des Islam die Todesstrafe. Seitdem wird sie von der Polizei bewacht.
"Im Iran wird das Kopftuch mit sehr viel Brutalität durchgesetzt genau wie auch in den anderen islamischen Ländern", sagt sie. Deshalb dürfe man hier nichts verharmlosen. Für sie ist die BFF "eine islamische Organisation, die bewusst Frauen mit Kopftuch in solche Positionen setzt. Und die muslimischen Frauen, die kein Kopftuch tragen kriegen dann Ärger zuhause. Es wird nämlich gesagt: 'Das ist eine Politikerin, die trägt ein Kopftuch, das musst Du jetzt auch tragen'", so Ahadi.
Offene Anfeindungen
Haluk Yildiz sieht sein Bündnis dagegen als Brücke, als Vermittler zwischen den Kulturen und den verschiedenen Glaubensrichtungen. Er stehe für Offenheit und Dialog, sagt er. Dass das BFF mit dem Kopftuch ein falsches Signal setze, findet er nicht.
Anders als ihrem Parteivorsitzenden fällt es Hülya Dogan schwer, "all diese Anfeindungen an sich vorbei rauschen zu lassen". Die Frau war zwar darauf vorbereitet. Doch jetzt werde sie angefeindet und im Internet sogar offen beschimpft. Das Kopftuch ablegen - das ist für sie dennoch keine Option. "Mein Migrationshintergrund wäre ja immer noch da. Ich hätte es also trotzdem nicht einfacher", sagt sie.
Auf gute Zusammenarbeit
Ratsmitglieder der anderen Parteien hingegen freuen sich auf die Zusammenarbeit mit dem BFF. "Ich habe ihr Programm gelesen, Wort für Wort, und ich habe nichts gefunden, was die Vermutung nahe legt, dass sie fundamentalistische Islamisten sind", sagt Georg Fenninger von der CDU. "Sie haben uns deutlich gemacht, dass sie sich für die Interessen der Muslime einsetzen werden. Auf die Auseinandersetzung freuen wir uns. Wir werden trotzdem unsere Inhalte nicht verändern, auch in Sachen Frauenpolitik", sagt Anke Nipkow-Stille von der SPD.
Kurz vor der ersten Ratssitzung ist Dogan trotzdem aufgeregt. Sie habe alle Blicke auf sich gefühlt, auf ihr Kopftuch. Doch das sei vorbei gewesen, als die Sitzung begann, berichtet sie hinterher. Jetzt müssen die vier Bürgermeister gewählt werden und deren Mehrheiten bröckeln - alle etablierten Parteien mussten zittern, ob ihre Wunschkandidaten durchkommen. Nichts scheint mehr sicher. Wer denkt hier jetzt noch an das Kopftuch?