Der Eon-Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen

Energieriese spürt Druck von vielen Seiten

Eon erwartet zwei harte Jahre

Stand: 05.05.2011, 00:00 Uhr

Die Hauptversammlung des Düsseldorfer Energieversorgers Eon am Donnerstag (05.05.2011) steht im Zeichen der Atomdebatte. Doch Brennelementesteuer, Moratorium und Ausstieg sind nicht die einzigen Reizwörter. Der Konzern hat noch mehr Probleme.

Von Christoph Stehr

"Mach kein Scheiß, Johannes!" "Abschalten ohne Abzocke!" "Aktionäre aller Länder, sozialisiert euch!" Im Internet kann sich Eon-Chef Johannes Teyssen schon mal die Plakate anschauen, die ihm am Donnerstag (05.05.2011) vor der Grugahalle entgegengehalten werden. Das Anti-Globalisierungs-Forum Attac bietet bunte Vorlagen - eine zeigt den Geldspeicher von Dagobert Duck - zum Download an. Einfach ausdrucken, fertig ist das Demo-Plakat. Seit Monaten trommeln Umweltinitiativen dafür, den Managern und Aktionären von Eon auf der Jahreshauptversammlung einen möglichst unfreundlichen Empfang zu bereiten. Generalprobe war vor zwei Wochen - zur selben Stunde, am selben Ort: Da fand die Jahreshauptversammlung von RWE statt. Die Demonstranten riefen "Ab-schal-ten!" und warfen Wollknäuel, um die Rolltreppen zu blockieren.

Teyssen hat einen schweren Tag vor sich. Für die Menschen vor der Grugahalle ist er der Buhmann, weil er wie seine Kollegen von RWE, EnBW und Vattenfall an der Kernenergie festhält. Den Aktionären in der Grugahalle muss er erklären, warum Deutschlands größter Energieversorger nach dem hervorragenden Geschäftsjahr 2010 künftig weniger Gewinn machen wird - und wahrscheinlich weniger Dividende zahlt.

Hoffen auf 2013

Obwohl mehrere Beteiligungen verkauft wurden, stieg der Umsatz 2010 um 16 Prozent auf 92,9 Milliarden Euro. Der Nettogewinn betrug 4,9 Milliarden Euro, die Dividende 1,50 Euro je Aktie. Teyssen hat angekündigt, "dass wir dieses hohe Niveau in den nächsten zwei Jahren nicht halten werden. Wir gehen jedoch davon aus, dass 2013 unsere heutigen Geschäfte insgesamt das bisherige Niveau wieder erreichen." Die Durststrecke hat mit den Spätfolgen der Wirtschaftskrise zu tun: In vielen Ländern lahmt die Industrieproduktion noch, weshalb Kraftwerke nicht ausgelastet sind. Strompreiserhöhungen lassen sich kaum durchsetzen. Rohstoffe werden teurer. Die 2011 erstmals fällige Brennelementesteuer belastet das Unternehmen mit knapp einer Milliarde Euro - sofern sie wirklich kommt. Teyssen will bis Ende Mai entscheiden, ob er gegen die Steuer klagt.

2013 soll die alte Ertragsstärke wieder erreicht sein

Für 2011 rechnet Eon mit einem Reingewinn von "nur" 3,3 bis vier Milliarden Euro. Die Erwartungen für 2012 sind ebenfalls bescheiden. Entsprechend sollen die Aktionäre den Gürtel enger schnallen. Für beide Jahre wird eine Dividende von mindestens 1,30 Euro verbindlich zugesagt. "Garantie" klingt gut, und "mindestens" kann bedeuten, dass doch mehr herausspringt. Allerdings erfüllen sich solche Hoffnungen selten, wie die Erfahrungen aus anderen Dax-Konzernen zeigen. Dass Eon 2013 wieder zu seiner alten Ertragsstärke zurückfindet, wie Teyssen verspricht, ist eine mutige Prognose. Denn 2013 kommen zusätzliche Belastungen auf die Branche zu, weil dann die CO2-Zertifikate, also Verschmutzungsrechte für Kraftwerke und Industrieanlagen, voll bezahlt werden müssen.

Sauberer und besser?

Eon stellt sich auf harte Zeiten ein. Die neue Strategie "Cleaner & better energy", sauberere und bessere Energie, sieht tiefgreifende Veränderungen im Konzern vor. Die Energieerzeugung wird ausgebaut - um das nötige Geld dafür einzusammeln, will Eon bis 2015 Beteiligungen im Wert von 15 Milliarden Euro verkaufen. Unter den Hammer kamen bereits eine Gazprom-Beteiligung und das italienische Gasnetz. Ein weiteres Ziel ist stärkeres internationales Wachstum. Die außereuropäischen Geschäfte sollen bis Ende 2015 statt bislang fünf stolze 25 Prozent zum Ergebnis beisteuern. "Cleaner & better" wünscht sich der Vorstandsvorsitzende auch die internen Arbeitsabläufe, was bei den 85.000 Beschäftigten im Konzern Misstrauen auslöst. Sie fürchten, dass das neue Effizienzprogramm - es enthält Einsparungen von 600 Millionen Euro bis Ende 2013 - Arbeitsplätze kostet.

Erneuerbare Energien, aber auch Kohle- und Atomstrom

Nach außen lässt sich der Teil von "Cleaner & better" am besten verkaufen, der die erneuerbaren Energien betrifft. Zwischen 2011 und 2013 sind Investitionen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro geplant. Schwerpunkte bilden Windparks in den USA und Nordeuropa sowie Solarkraftwerke, etwa in Spanien. Gleichwohl bleibt der Konzern der Kernkraft sowie den fossilen Energieträgern treu. In Großbritannien bereitet ein Joint Venture von Eon und RWE den Bau zweier Atomkraftwerke vor; in Finnland ist Eon an einer Firma beteiligt, die Gleiches vor hat. In Deutschland sollen drei neue Kohlekraftwerke entstehen - auch wenn es am Standort Datteln so aussieht, als machten die Gerichte Eon einen Strich durch die Rechnung. Alle diese Projekte werden ein Thema auf der Hauptversammlung sein: Die "Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre" wollen dem Vorstand die Entlastung verweigern, weil er die Energiewende verpasst habe.

Konkurrenz für die Großen

Jammern auf hohem Niveau - danach sieht es aus, wenn Teyssen die Erwartungen für die nächsten Jahre dämpft. Doch hinter seiner Vorsicht steckt mehr als Zweckpessimismus. Auf Eon, RWE, EnBW und Vattenfall kommen große Probleme zu, über Brennelementesteuer, CO2 und Rohstoffverknappung hinaus. Die EU treibt unerbittlich die Liberalisierung der Energiemärkte voran, Netzbetrieb und Energieerzeugung werden weiter entflochten.

"Die angebliche Marktmacht der 'Großen Vier' wird meines Erachtens stark übertrieben. Sie wird seit längerem schrittweise abgebaut", sagt der Leiter eines energiewirtschaftlichen Hochschulinstituts, der namentlich nicht genannt werden möchte. "In der Zukunft wird der Wettbewerb aus allen Ecken stärker werden, nicht zuletzt weil der Anteil an dezentralen erneuerbaren Energien steigt." Vor allem in Deutschland nehmen immer mehr Kommunen, die bislang über Jahrzehnte laufende Konzessionsverträge mit Eon geschlossen hatten, die Strom- und Gasversorgung in die eigene Hand.

Vorsicht bei Prognosen zur Strompreisentwicklung

In der Atomdebatte hat Teyssen mehrfach vor steigenden Strompreisen und Versorgungsengpässen gewarnt. Solche "Öffentlichkeitsarbeit" ist mit Vorsicht zu genießen. Genauso die Schätzungen anderer "Experten", die den Verbrauchern auf den Zehntelcent genau vorrechnen, was sie der Atomausstieg kosten wird. Jürgen Scheurer vom Verbraucher-Portal Verivox hält diese Prognosen für verfrüht. "Zwar wird das wegen der abgeschalteten Altmeiler knappere Angebot die Börsenpreise für Strom steigen lassen, und zudem könnte der nötige Ausbau der Netze die Strompreise verteuern", sagt er, "dagegen aber werden Stromimporte und das steigende Angebot aus erneuerbaren Energiequellen preissenkend wirken. Und die Zunahme des Wettbewerbs dürfte sich auch positiv auswirken."