Olympia 1972 und 1976
Filmgucken mit Ulrike Nasse-Meyfarth
Stand: 20.01.2013, 13:45 Uhr
1972 gewann sie Gold, aber 1976 schied sie bereits in der Qualifikation aus: Hochspringerin Ulrike Nasse-Meyfarth schaute sich alte Super-8-Amateuraufnahmen aus den beiden Schicksalsjahren an - und blieb gefasst. Die alten Filme hat das Sportmuseum Köln wiedergefunden. Ausschnitte gibt es auf WDR Digit zu sehen.
Von Martina Züger
Über die Latte springt Ulrike Nasse-Meyfarth heute kaum noch. Die Frau, die einst mit 2,03 Metern einen Weltrekord aufstellte, meint heute, bei einer Höhe von 1,10 Metern krebse sie herum. "Selbst zu springen ist für mich heute völlig uninteressant. Und meine Knochen machen es nicht mit", sagt Nasse-Meyfarth. Sie ist mittlerweile 56 Jahre alt - ein Alter, das man der großen Frau im eleganten Jeans-Blazer mit Seidentuch kaum ansieht.
Umso wichtiger für sie sind die Erinnerungen an die Sprünge ihrer Jugendzeit: Fotografien ihrer beiden olympischen Goldsprünge von 1972 und 1984, die ihre Mutter in Fotoalben klebte - und alte 8-Millimeter-Filmaufnahmen, die nun das Deutsche Sport- und Olympiamuseum Köln wieder aufgefunden hat.
Wer digitalisiert Olympiaaufnahmen?
Ulrike Nasse-Meyfarth und Wolfgang Lewitzki
Seit Anfang der 1990er-Jahre lagern die Olympiaaufnahmen von Max Rinkenburg, einem Funktionär des Deutschen Handballverbandes, mit 250 weiteren Filmrollen im Archiv. "Wir haben sie nie ansehen können", sagt Wolfgang Lewitzki, Leiter der Sammlungen. Es fehlte der passende Projektor. Im Digit-Büro konnten die einmaligen Dokumente jetzt erstmals gesichtet werden. Ausschnitte des Materials werden in nächster Zeit nach und nach auf WDR Digit veröffentlicht.
Ungläubig schaute Meyfarth 1972 auf die Ergebnistafel
Ulrike Nasse-Meyfarth
Der Projektor rattert und spuckt Bilder von den Olympischen Spielen 1972 in München aus: Die Zehnkämpfer springen zu schnell und seitenverkehrt über die Hürden, Kajakfahrer erwehren sich der Strömung im Wildwasserkanal, und die 16-jährige Ulrike Nasse-Meyfarth qualifiziert sich überraschend für die Teilnahme am Wettbewerb. Sie ist eine der wenigen Flopperinnen: Die meisten Hochspringer steigen Anfang der 1970er-Jahre im Straddle bäuchlings über die Latte, Nasse-Meyfarth fliegt mit dem Rücken zur Erde darüber.
"80.000 Menschen, das ganze Stadion war still beim Absprung. Sobald ich auf der Matte landete, kam der Applaus", erinnert sie sich im Halbdunkel des Büroraums. Ungläubig habe sie damals auf die Ergebnistafel geschaut, auf der ihr Name immer höher kletterte. "Ich schaute auf mich wie auf eine andere Person: Was läuft hier ab?" Auch Leichtathletik-Experten rechneten nicht mit dieser Leistung: 1,92 Meter und Goldmedaille. Dieser Tag wird das Leben der Leichtathletin nachhaltig verändern. Nach dem Triumph wird sie vom Verband bei den Medien herumgereicht und ist plötzlich eine der bekanntesten Sportlerinnen Deutschlands.
"In Montreal habe ich Lehrgeld bezahlt"
Die Aufnahmen von den Olympischen Spielen in Montreal von 1976 sind Nasse-Meyfarth weniger lieb, als jene aus München vier Jahre zuvor. "Ich schaue mit gern Bilder meiner Sprünge an", sagt Nasse-Meyfarth. "Nur die Bilder von Montreal habe ich weggesteckt." Sie schied bereits in der Qualifikation aus, es ist der vermutlich bitterste Moment ihrer Karriere: "In Montreal habe ich Lehrgeld bezahlt, das gehört zur sportlichen Laufbahn." Erst dort sei sie eine reife Athletin geworden. Nach der Niederlage reiste sie mit ihren Eltern zwei Wochen durch Kanada.
Ständig mit Bildern ihrer Sprünge konfrontiert
Filmrollen aus dem Deutschen Sport & Olympia Museum
Tief beeindrucken können sie die Aufnahmen aus beiden Jahren dennoch nicht: "Ich werde ja ständig mit diesen Bildern konfrontiert – mindestens alle vier Jahre, wenn wieder Olympische Spiele stattfinden." Heute arbeitet Ulrike Nasse-Meyfarth, die 1984 erneut Olympiagold in Los Angeles holte, als Leichtathletik-Trainerin für Kinder und Jugendliche beim Sportverein Bayer 04 Leverkusen. Der Weltrekord im Hochspringen liegt zurzeit bei 2,09 Metern. Ausschnitte der historischen Olympiaaufnahmen werden nach und nach auf WDR Digit veröffentlicht.