Digitale Sicherheit steht inzwischen für Behörden und viele Unternehmen auf der Prioritätenliste ganz weit oben. Daher haben auch die meisten Bundesländer längst Digitalbeauftragte in ihrer Regierung - viele haben sogar ein eigenes Digitalministerium. NRW hinkte da bislang hinterher. Jetzt wird diese Lücke zumindest teilweise geschlossen.
Am Dienstag beschloss das Kabinett, den Staatssekretär im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, Daniel Sieveke, zum neuen "Beauftragten für Informationstechnik" zu machen. Er bekleidet damit die bislang unbesetzte Stelle des "Chief Information Officer" (CIO) und soll zuständig sein für Informationstechnik, strategische Steuerung und IT-Sicherheit.
Stelle seit einem halben Jahr unbesetzt
Im November war der bis dato amtierende CIO Andreas Meyer-Falcke in den Ruhestand gegangen - seitdem war die Stelle unbesetzt. Dass NRW seitdem ganz ohne Digitalbeauftragten war, galt unter Experten als mindestens fahrlässig - gerade im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz und häufiger werdenden Hackerangriffen.
Der Stand der Informationssicherheit in der Landesverwaltung sei "unstreitig kritisch", hatte der Landesrechungshof LRH schon im November vergangenen Jahres in einem Bericht angemahnt und auf den aktuellen Bericht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verwiesen. Demnach sei die Bedrohungslage "so hoch wie nie zuvor", die öffentliche Verwaltung zunehmend Zielscheibe von Hackern. "Mit Blick auf die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Landesverwaltung besteht Handlungsbedarf", so der Schluss des LRH.
Brandbrief der Verwaltungsbeamten an Wüst
Im März schrieben die Beschäftigten der Landesverwaltung einen dringlichen Brief an Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Darin hieß es: "Trotz der breiten Verfügbarkeit von KI weiß die Landesverwaltung in der Breite wenig bis nichts über die Funktionsweisen, die Verarbeitungsformen und -orte und ebenso wenig hat sie die Auswirkungen im Blick."
Die "faktische Abschaffung des CIO und der koordinierenden Strukturen" führe dazu, dass "die mühsam errungene Einigkeit in den Infrastrukturfragen Digitalisierung und IT im Eiltempo erodiert", schrieben die Verfasser. Es fehle eine offizielle Strategie den Umgang mit Programmen wie "Microsoft Copilot" oder ChatGPT. Personal verlasse bereits "frustriert" die Landesbehörden.
Antwort zwei Monate später
Antwort bekamen die Beschäftigten knapp zwei Monate später vom Chef der Staastkanzlei, Nathanael Liminski (CDU). Die Herausforderungen seien komplex, die Antworten darauf könnten "nicht per Knopfdruck gegeben werden". Liminski weist in dem Brief auf die "IT-Steuerungsgruppe" hin, die zu Beginn der Legislaturperiode im Bau- und Digitalministerium eingerichtet wurde.
Das Thema KI biete "noch nicht vollständig absehbare Risiken für die öffentliche Verwaltung". Die Schwierigkeiten bei der Entwicklung bundesweiter und europäischer Regelungen zum Umgang mit KI zeigten "die Brisanz" des Themas.
Es sei notwendig, so Liminski, dass sich alle Ebenen - Verwaltung, Kommunen und Bundesländer - dazu austauschen würden. Es bestünden bereits Kooperationen mit anderen Bundesländern, um die Möglichkeiten und Folgen von KI in der öffentlichen Verwaltung "zu eruiren". Auch sei die erwähnte IT-Steuerungsgruppe mit der Entwicklung einer einheitlichen Strategie befasst. "Gerne", so schließt Liminski, würde die Landesregierung den Austausch mit den Verwaltungsangestellten suchen.
Zweiter Posten für Digitalisierung der Landesverwaltung
Die Leitung der Abteilung "Digitalisierung der Landesverwaltung" im Ministerium soll spätestens ab dem 1. Juni Georg Lucht übernehmen, stellvertretender Referatsleiter im Wirtschaftsministerium und ehemaliger Vorsitzender des Konzerns Westdeutsche Spielbanken. Seine Aufgabe soll unter anderem die bereits begonnene Digitalisierung der Ausländerbehörden sein.
Fast vergessen scheinen dabei die optimistischen Ziele des ehemaligen Digitalminister Andreas Pinkwart (FDP). Der hatte bereits Ende 2018 angekündigt, dass die gesamte Verwaltung des Landes bis 2025 digitalisiert sein werde. Viel Zeit bleibt der jetzigen Regierung nicht mehr.
Bitkom: NRW mäßig bei Digitalisierung
Im April hatte der Branchenverband Bitkom eine Übersicht dazu veröffentlicht, wie weit die einzelnen Bundesländer mit der Digitalisierung seien. NRW lag dabei gerade mal im hinteren Mittelfeld. Handlungsbedarf bestehe demnach besonders im Bereich "Governance & digitale Verwaltung", stellte Bitkom fest. Kritisiert wurde auch die Tatsache, dass NRW kein eigenständiges Digitalministerium hat - im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern.