Ex-Salafist im Interview

"Was bin ich für ein Mensch?"

Stand: 22.09.2015, 16:41 Uhr

Er wollte kein Salafist mehr sein und ist nach zehn Jahren ausgestiegen: Dominic Schmitz aus Mönchengladbach. Über seine Erfahrungen hat er bei einer Tagung zu extremistischen Gruppen gesprochen.

Wie kamen Sie dazu?

Es gab irgendwann den Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass ich totunglücklich bin. Ich war früher ein sehr, sehr unsicherer Mensch, hatte sehr wenig Selbstbewusstsein, war total verunsichert. Der Glaube hat mich einfach gestärkt. Er hat mir Selbstbewusstsein gegeben. Ohne Markenklamotten, ohne die oberflächlichen Dinge, durch die man bei Menschen gut ankommt.

Wie würden Sie sich dann innerhalb der Gruppe beschreiben?

Ich war nie gewaltbereit, aber ein missionarischer, sehr strenger Gläubiger.

Haben Sie auch Korane in der Stadt verteilt?

Ja, zunächst habe ich Flyer und DVDs in alle Briefkästen meines Dorfs geworfen - aus Eigeninitiative. Ich habe es gern getan. Und ich habe sehr viel gelesen. Vor allem am Anfang, mich an dem Wissen bereichert und dann auch versucht jeden mit Worten zu überzeugen. Später erst gab es dann YouTube-Videos. Es wurden eigene DVDs in der Moschee produziert und eben auch Infostände in der Stadt. Das waren unsere eigenen Stände, an denen wir nicht nur den Koran, sondern auch Infobroschüren verteilt haben.

Wann kamen Ihnen dann Zweifel, dazuzugehören?

Also ich bekam die Zweifel, die viele Aussteiger haben. Nämlich, dass die Menschen, die predigen, im Privatleben oft anders handeln, als sie selber gepredigt haben. Trotzdem denkt man aber weiterhin: die Botschaft ist das, worum es geht. Irgendwann habe ich auch mal in andere Richtungen des Islam hereingeschnuppert. Es gibt ja viele Gruppierungen und Richtungen. Da habe ich gemerkt, dass der Islam was sehr Großes ist, viel zu tiefgehend und enorm ist, als dass man es auf den einen Weg beschränken könnte. Vor allem kamen dann einige Situationen in meinem Leben, die mich dazu bewegt haben, mich zu hinterfragen: wofür stehe ich eigentlich? Was bin ich für ein Mensch? Was sind meine Ziele Ansprüche und Einstellungen? Dann habe ich gemerkt, dass ich mit dieser Intoleranz und dem Schwarz-Weiß-Denken, das teilweise an den Tag gelegt wird, gar nicht klarkomme. Wenn ich Vieles heute höre, denke ich mir: wie kann man so verblendet sein?

Einige werden aber ja auch gewaltbereit: Wie haben Sie die gewaltbereiten Menschen erlebt?

Das war viel zu hart für mich, das wusste ich direkt. Die haben gesagt, dass sie die Ungläubigen hassen und wir das westliche Leben nicht annehmen. Und in gewissen Punkten wurde ich dann verunsichert. Ich war neu und bin das erste Mal auf solche Leute getroffen. Aber vom Grundtenor, den die mir vermittelt haben, wusste ich, dass das auf keinen Fall für mich der Weg und der Islam sind. Ich bin dann aber immer wieder auf solche Leute getroffen.

Haben Sie denn Kritik an der Szene geäußert?

Ja genau, und heute viel mehr als damals. Heute nehme ich nehme kein Blatt vor den Mund. Ich versuche manchmal diplomatisch zu sein. Ich will ja niemanden vergraulen.

Was mussten Sie sich anhören?

Als ich mich von den Menschen distanziert habe, habe ich viele Nachrichten gekriegt: "Komm zurück! Wo bist du? Wenn du so weiter lebst, kommst du in die Hölle." Die Videos wurden kommentiert mit "Du Wischiwaschi-Muslim, du willst nur den Ungläubigen gefallen". Und dann wurden die Reaktionen aber viel heftiger: "Du Heuchler, du Ungläubiger".

Und seit meiner Medienpräsenz gibt es enorme, gewalttätige Drohung. Ich weiß wo du Sport machst, sie standen vor meiner Tür und sagten komm mal runter und sag mir das in mein Gesicht.

Verunsichert Sie das?

Was heißt verunsichert? Ich bleibe bei meiner Meinung. Ich würde die auch jedem ins Gesicht sagen. Nur habe ich einfach keine Lust, mich körperlich auseinanderzusetzen. Ich lehne Gewalt ab.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Schwierige Frage. Ich wünsche mir einfach, dass die Ignoranz verschwindet und dass die Menschen ruhig von ihrer Meinung überzeugt sein können, aber dann nicht gleich andere beginnen, zu hassen.

Das Gespräch führte Regina Bremer.