Siham El-Maimouni für Westpol auf Hausbesuch

Stand: 14.04.2022, 10:36 Uhr

Am 15. Mai wählen die Menschen in Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. Im Vorfeld fragt Westpol, das landespolitische Magazin des WDR Fernsehens: "Was bewegt NRW?" Dafür ist Westpol-Moderatorin Siham El-Maimouni durch das Land gereist und hat mit Wähler:innen über ihre alltäglichen Probleme gesprochen. Die Beiträge der neuen Reihe Westpol-Hausbesuch sind ab 27. März an mehreren Sonntagen um 19.30 Uhr zu sehen.

Frau El-Maimouni, wie entstand die Idee, den Wähler:innen Hausbesuche abzustatten?

Meist werden vor Landtagswahlen ganz klassisch die Politikerinnen und Politiker interviewt. Wir wollten aber mit den Menschen sprechen, die in einer demokratischen Gesellschaft am wichtigsten sind: mit den Wählerinnen und Wählern. Wir möchten herausfinden, was sie bewegt und welche Probleme sie in ihrem Alltag meistern müssen.

Welcher Hausbesuch ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Ich habe eine alleinerziehende Mutter in Köln getroffen. Pamela sucht seit zwei Jahren verzweifelt eine neue Wohnung für sich und ihre zehnjährige Tochter. Denn das Haus, in dem sie wohnen, wird abgerissen. Angesichts der katastrophalen Situation in vielen NRW-Städten weiß Pamela, dass sie auf dem Wohnungsmarkt keine Chance hat und immer den Kürzeren ziehen wird. Mich hat beeindruckt, wie stark sie trotzdem bleibt und wie offen sie mit ihrer Tochter darüber spricht. Das ist mir sehr nahegegangen.

Sagt die Situation von Pamela etwas über die Situation in ganz Nordrhein-Westfalen aus?

Die Wohnungsnot ist ein Problem, das der Politik komplett aus den Händen geglitten ist. Es wird immer schwieriger, es unter Kontrolle zu bringen oder gar Lösungen zu finden. Vor allem fehlt es an Grundstücken. Wir haben uns mit dem Planungsdezernenten in Neuss getroffen. Vor sechs Jahren hätte die Stadt ein Grundstück für vier Millionen Euro kaufen können. Sie hat aber nicht zugeschlagen, und jetzt wurde das Grundstück für 40 Millionen Euro an einen Investor verkauft.

Manche Großstädter:innen suchen sich eine günstigere Immobilie auf dem Land. Aber auch dort ist nicht alles perfekt. Haben Sie Hausbesuche in kleineren Städten und Dörfern eingeplant?

Ja, denn dort spielt das Thema Mobilität eine große Rolle. Wir sollen alle weniger Auto fahren, was in Zeiten explodierender Benzinpreise durchaus verlockend klingt. Die Lebensrealität vieler Menschen in NRW sieht aber so aus, dass sie nicht auf ihr Auto verzichten können. Dafür müsste erst einmal der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden, aber auch damit ist derzeit kaum zu rechnen.

Glauben die Menschen, die Sie getroffen haben, dass sie bei der Landtagswahl mit ihrer Stimme etwas verändern können?

Es kommt immer darauf an, mit wem man spricht. Insgesamt zeigt sich aber, dass die Menschen noch immer an das demokratische System glauben. Natürlich ist Pamela im Laufe der Zeit müde geworden, aber sie gibt die Hoffnung nicht auf, dass sich etwas zum Besseren ändert. Gleiches gilt für die Schulsozialarbeiterin, die wir in Kamen getroffen haben. Sie arbeitet an fünf Schulen gleichzeitig, weil der Bedarf so groß ist und die Stellen so rar gesät sind. Wenn sie auf die Politik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte zurückblickt, merkt sie, dass es ihr an Wertschätzung fehlt. Irgendwann fühlen sich die Menschen alleingelassen – und das führt zu Frustration. Umso wichtiger ist es, sie zu Wort kommen zu lassen und ihnen zuzuhören. Sie wünschen sich ja keinen Luxus, sondern grundlegende Dinge wie gute Schulen, eine Wohnung oder eine Verkehrsanbindung.

Sie haben die Probleme an der Basis kennengelernt und beschäftigen sich auch als Westpol-Moderatorin stark mit politischen Themen. Verändert diese Arbeit ihr privates Wahlverhalten?

Bei der journalistischen Arbeit ist es mir wichtig, so neutral wie möglich zu sein. Niemand soll durch meine Beiträge und Moderationen wissen oder erahnen können, welche Partei ich wähle. Aber ich habe von Hause aus gelernt, dass man sich vor einer Wahl ausführlich mit den Programmen und Ideen der Parteien beschäftigt. Ich bin noch nie zu einer Wahl gegangen und habe dann spontan mein Kreuz gemacht. Es ist ein großes Privileg, dass wir wählen dürfen, und damit geht die Pflicht einher, dass wir uns im Vorfeld informieren. Natürlich habe ich den Vorteil, dass das Sammeln von Informationen auch gleichzeitig mein Job ist. Das passt wunderbar. Aber mein privates Wahlverhalten hat sich durch die Arbeit bislang nicht verändert.