Mit Coming of Age-Horror das Streaming-Publikum erobern

Stand: 25.10.2021, 10:12 Uhr

Binge-Watching (Dauerglotzen) zu Halloween: Mit "True Demon – Die Serie" bringt der WDR ein preisgekröntes YouTube-Format des ARD/ZDF-Content-Netzwerks funk in neuer Form in die ARD Mediathek. Ab dem 29. Oktober stehen acht 20-minütige Folgen zur Verfügung. Im Zentrum der Mystery-Reihe: die 21-jährige Anna und ihre Freunde, ein dunkles Familiengeheimnis und die Flucht vor angsteinflößenden Kreaturen. Die Redakteurin Sophie Seitz erklärt im Interview, wie die Webserie fürs Streaming aufbereitet wurde.

"True Demon" erschien 2019 als vermeintlich normaler YouTube-Kanal, der Einblicke in Annas Alltag gewährt. 46 Clips waren zwischen einer und 14 Minuten lang und konnten kommentiert und geteilt werden. Zusätzlich gab es einen Instagram-Kanal. Wie haben Sie daraus nun eine Serie für die Mediathek gemacht?

Das ursprüngliche Format hatte Uli Krapp, stellvertretender Programmchef bei 1LIVE, zusammen mit Chinzilla Films für die Zielgruppe der 14- bis 25-Jährigen entwickelt. Mit einerseits schnellen Schnitten und auf der anderen Seite langen Monologen direkt in die Kamera entsprach es den Sehgewohnheiten der Generation YouTube. Wir haben nun für das Mediathek-Publikum das Drehmaterial genommen und einen Neuschnitt vollzogen. Die Schnittfrequenz haben wir dabei auf ein für Serien übliches Normalmaß heruntergefahren und die Dramaturgie verdichtet. Außerdem haben wir auch ein paar vorher nicht genutzte sowie neu gedrehte Szenen ergänzt. Die Geschichte ist dieselbe geblieben, aber wir erzählen sie etwas anders, nehmen uns mehr Zeit für Spannung und Emotionen. Während bei YouTube alle paar Tage – also quasi in "Echtzeit" – unterschiedlich lange Clips veröffentlicht wurden, stellen wir nun die fertige Serie zum "in einem Rutsch weggucken" zur Verfügung.

Die YouTube-Serie hatte die Ästhetik von Homemade-Videos. Bleibt diese im Streaming-Format erhalten?

Wir haben natürlich immer noch diesen Look des Found Footage, der ein wenig an Horror-Klassiker wie "Blair Witch Project" erinnert. Es wurde ja damals mit einer Art Reportage-Kamera gedreht – ohne Einstellungswechsel. Da können wir nicht im Nachhinein so tun, als wäre es ein Spielfilm mit vielen Kamera-Perspektiven. Wir haben aber die Vlog-Parts eingekürzt, also die Szenen, in denen Anna einfach nur in die Kamera hinein erzählt, was passiert ist. Diese Parts haben wir teilweise durch Neudrehs visualisiert.

Mit Musik zum echten Serien-Feeling

Sie haben für die Serie auch neue Musik eingespielt. Warum gab es vorher keine?

Wegen der Veröffentlichung auf YouTube durften wir keine Fremdmusiken benutzen und auch für komponierte wäre das kompliziert geworden. Deshalb hat das ausgezeichnete Sound Design sehr viel von der Spannung vermittelt– mit großem Erfolg! Es gab dafür auch mehrere Preise. Jetzt haben die KlangKönner aus Düsseldorf zusätzlich musikalische Strecken und Effekte komponiert und unter anderem mit dem WDR Funkhausorchester aufgenommen. Herausgekommen ist dabei ein teilweise sehr schräger aber auch warmer, fließender Sound – damit ist die Serie noch runder und emotionaler geworden.

Ist die neue Version auch interessant für Leute, die schon die Webserie gesehen haben?

Ich glaube es ist eine deutliche Bereicherung, auch wenn man die Story schon kennt. Die Sogwirkung ist eine ganz andere. Die Online-Folgen waren ja alle für sich abgeschlossen. Die übergreifende Dramaturgie und der Erzählfluss des Neuschnitts jetzt, inklusive Cliffhanger lädt zum Binge-Watching ein und kann die genretypische Spannung deutlich besser transportieren.

Neue Zielgruppen ansprechen

Warum bringen Sie das Format nur in die Mediathek und nicht auch ins lineare Fernsehen?

Das schöne an der Mediathek ist ja, dass man ein spezielles Publikum ansprechen kann. Im linearen Fernsehen müssen wir deutlicher in die Breite gehen. Irgendwann werden wir die Serie vielleicht auch mal im Spätprogramm senden. Aber jetzt wollen wir vor allem das Publikum ansprechen, das sich bei den Streaming-Diensten tummelt und das wir im Fernsehen sonst fast gar nicht mehr erreichen. Inzwischen kann die ARD mit den Abrufzahlen der Mediathek da gut mithalten. Während über die Mediathek früher in erster Linie Menschen erreicht wurden, die eine verpasste Sendung nachholen wollten, gibt es dort zunehmend originäres Programm für Menschen, die nicht mehr analog gucken wollen! "True Demon – Die Serie" als allererste Horror-Serie in der Geschichte des WDR bietet sich durch seine Ansprache an ein jüngeres, Mystery-interessiertes Publikum besonders für eine solche Online-Only-Ausspielung an. Und wir hoffen darüber hinaus auch damit jungen Kreativen zu signalisieren: Ihr könnt jetzt gerneauch mit solchen Formaten auf uns zukommen!