It's a stream – Konzerthighlight am Freitagabend

Stand: 26.02.2021, 13:21 Uhr

  • WDR-Ensembles bieten Livestreams
  • Virtuose an der Geige zu Gast: Pinchas Zukerman
  • Interview vor dem Konzert-Livestream
  • Livestream am 26. Februar 2021 ab 20.04 Uhr und Liveübertragung auf WDR 3

Corona hält den Kulturbetrieb weiter fest im Griff. Wenn auch Konzerte mit Publikum immer noch nicht wieder stattfinden dürfen, so sorgen doch die WDR-Ensembles mit spannenden Livestreams für mehr als nur den berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Das WDR Sinfonieorchester bot am Freitag, 26. Februar, um 20.04 Uhr ein besonderes Highlight: Für das Konzert konnte man mit Pinchas Zukerman einen Virtuosen von Weltruf gewinnen. Der legendäre Musiker war mit Mozarts fünftem Violinkonzert in A-Dur im Live-Stream zu hören. Für WSO-Chefdirigent Cristian Mâcelaru und Ensemblemanager Sebastian König natürlich ein ganz besonderes Ereignis. Wir haben mit beiden vor dem Konzert gesprochen.

Haben Sie mit Pinchas Zukerman schon einmal zusammengearbeitet?

Cristian Mâcelaru: Nein, es ist das erste Mal, dass ich mit ihm ein Konzert spiele, und ich freue mich schon sehr darauf, ihn zu treffen. Er ist ein vollendeter Musiker und ohne Zweifel einer der ganz großen Künstler, die wir haben. Ich bewundere ihn schon mein ganzes Leben, denn ich bin selber Geiger und mit seinen berühmten Aufnahmen groß geworden. Es ist großartig, ihn bei uns zu haben.

Emotional spannt das Programm einen Bogen, der mit Samuel Barbers tief melancholischem „Adagio für Streicher“ beginnt und über Mozart zum euphorischen Finale von Felix Mendelssohn Bartholdys dritter Sinfonie führt. Ist diese Gefühlsreise so beabsichtigt?

Cristian Mâcelaru: Bei allen Konzerten, die wir bislang gespielt haben, versuche ich am Schluss immer wieder zu Hoffnung und Zuversicht zurückzukehren. Ich möchte dem Publikum so die optimistische und aufbauende Kraft von Musik in Erinnerung rufen. Es ist ein Programm, das mir sehr aus dem Herzen spricht. Das Finale von Mendelssohns „Schottischer Sinfonie“ ist für mich eines der schönsten Stücke, die jemals geschrieben wurden. Ich denke, dass sich in ihm auch unsere aktuelle Situation sehr gut widerspiegelt. Nach einem Jahr der Unsicherheit zeichnet sich für uns langsam ein kleiner Hoffnungsschimmer ab. Ich hoffe, dass diese Musik die Zuhörer*innen daran erinnert, dass es nach dem Ende eines dunklen Tages auch wieder einen neuen Sonnenaufgang geben wird.

Welche Rolle erfüllt das Orchester in dieser schwierigen Zeit?

Cristian Mâcelaru: Musik ist ein Teil unseres Lebens und definiert uns mit als Menschen. Wir befinden uns in einer sehr glücklichen Position, denn durch den WDR haben wir Möglichkeiten, unsere Musik weiter verbreiten zu können. Es gibt viele großartige Orchester, die im Moment kein Publikum haben, weil in ihnen die Mittel fehlen, mit denen sie es erreichen können. Wir aber können jede gespielte Note durch Internet, Fernsehen und Radio zu den Hörern bringen. Und das ist es ein großer Pluspunkt und auch ein Argument dafür, dass Rundfunkfunkorchester in der Gesellschaft eine wichtige und grundlegende Funktion haben.

Auf welche Schwierigkeiten stößt man, wenn man unter den momentanen Gegebenheiten einen Gastvirtuosen bucht?

Sebastian König: Weite Reisen wie zum Beispiel aus den USA unternehmen momentan nur wenige Gastkünstler*innen. Umso mehr freuen wir uns auf die Produktion mit Pinchas Zuckerman. Vieles, was sonst normal war, ist gerade nicht mehr so selbstverständlich. Es ergeben sich Fragen wie: Sind die Flugzeiten verlässlich? Werden sich durch Corona kurzfristig Änderungen in der Einreiseverordnung ergeben? Müssen wir das Repertoire ändern, da aufgrund einer neuen Abstandsregel weniger Musiker*innen auf der Bühne sein können? Wir sind es sonst gewohnt lange vorauszuplanen, aber inzwischen haben wir auch gelernt zu improvisieren. Und das können wir auch.

Wie werden die digitalen Präsentationsformen vom Publikum angenommen?

Sebastian König: Die Abrufzahlen unserer Streams und produzierten Clips gehen derzeit steil nach oben, viele Menschen dürsten in dieser konzertlosen Zeit nach Musik. Es ist für uns sehr motivierend zu wissen, dass wir damit ein Grundbedürfnis bei den Nutzer*innen stillen und unseren Auftrag nun auch als digitales Rundfunkorchester erfüllen können.

Cristian Mâcelaru: Die Resonanz war bislang überwältigend. Wir hatten zum Beispiel ein Konzert im Dezember. In der Pause habe ich gefragt, wie viele Leute es sich im Internet ansehen. Es war unglaublich! Zu diesem Zeitpunkt waren es mehr als 13.000 Zuschauer. Und diese Zahl zeigte ja nur an, wie viele Geräte es waren. Wenn man bedenkt, dass möglicherweise vor jedem Gerät zwei bis vier Zuhörer*innen sitzen, dann ist das schon außergewöhnlich. Und dazu kamen dann auch noch die Leute vor dem Fernseher und die Radiohörer. Das zeigt, dass die Menschen sich wirklich wieder nach Live-Musik sehnen.

Zu Beginn ihres Dirigats sind Sie mit großen Plänen für das Programm in die Konzertsaison 2019/2020 gestartet, Herr Mâcelaru. Doch dann kam die Corona und machte dies alles zunichte. Was empfindet man in dieser Situation?

Cristian Mâcelaru: Anfangs war ich natürlich ziemlich frustriert und geschockt. Alles, was wir mit viel Arbeit für ein ganzes Jahr geplant hatten, musste abgesagt werden. Aber dann begriff ich, dass dies für uns auch eine Chance ist. So konnten wir jetzt auch Werke aufführen, die wir sonst nicht spielen würden. Wir haben bei weltweit bekannten und auch lokalen Komponisten Stücke für uns in Auftrag gegeben. Außerdem haben wir einige schöne ältere Stücke entdeckt, die man sonst eher selten hört. Wenn ich jetzt zurückschaue, dann bin ich stolz darauf, dass es musikalisch eine so unglaublich vielfältige Saison war. Es erinnert einen daran, dass das Publikum wirklich daran interessiert ist, Musik zu hören, die es noch nicht kennt, und von der wir auch noch nicht ahnen konnten, dass wir sie jemals spielen würden.

Sebastian König: Bedingt durch die Pandemie haben wir sehr viele alternative und kreative Ideen entwickelt. Das gilt für die inhaltliche Gestaltung des Programms, aber auch für seine Realisation. In den ersten Monaten haben sich die Bedingungen für den Probenbetrieb und die Aufführungen ständig verändert. Das war für uns alle natürlich sehr anstrengend. Ich habe quasi alle Planungen der laufenden Saison mehrfach anpassen müssen. Das Managementteam und die Musiker*innen des WDR Sinfonieorchesters ziehen da aber toll mit, sonst würde das nicht funktionieren.

Die Auswirkungen der Pandemie bleiben weiter schwer vor voraussehbar. Wie kann man sich in den Programmplanungen darauf einstellen?

Cristian Mâcelaru: Wir planen parallel. Es gibt einen Plan, der vom Idealfall einer Welt ohne Lockdown ausgeht. Dann gibt es Planungen für einen kurzen Zeitraum, und jene, die sich an der Tagessituation orientieren. Das verlangt enorme Flexibilität von unserem ganzen Team und den Musiker*innen. Im Moment ändert sich vieles immer noch sehr schnell. Aber wir haben wir uns bislang auf jede dieser Herausforderungen immer sehr gut einstellen können. Das ist schon eine bemerkenswerte Leistung.

Sebastian König: In gewisser Weise erfinden wir unsere Produktionsformen gerade neu. Neben den Konzert-Streams experimentieren wir auch mit neuen Formaten der Präsentation. Ich vermisse natürlich auch das Publikum und das Live-Erlebnis, aber gleichzeitig haben wir so unseren Fokus um die digitalen Produktionen erweitern können. Das ist eine unheimlich spannende Herausforderung und eine Erfahrung, die mit manch alter Gewohnheit bricht und uns somit in die Zukunft führt.

Vielen Dank für das Gespräch!