"Größtes Geschenk meines Lebens"

Stand: 23.03.2021, 12:45 Uhr

Die Koffer sind gepackt, die Wohnung ist geräumt, der Umzug zu seiner Frau nach New York steht an: Ralph Sina (65), langjähriger Leiter des WDR/NDR-Hörfunkstudios in Brüssel und davor ARD-Radio-Korrespondent in Washington und Nairobi, geht in diesen Tagen in den Ruhestand. Wir sprachen mit ihm über seine Arbeit auf drei Kontinenten.

Von Christian Schyma

Nairobi, Washington, Brüssel – was waren die besonderen Momente an Ihren drei Wirkungsstätten, welche Ereignisse sind hängengeblieben?

Ralph Sina: Da denke ich natürlich in erster Linie an die Terroranschläge. Ich erinnere mich noch genau, wie in Brüssel das Studio bei den Anschlägen 2016 vibriert hat. Die Metro-Station war nur ein paar Meter weit entfernt. Und meine Zeit in Nairobi begann mit den beiden Al-Qaida-Anschlägen am 7. August 1998. Auch dieser Anschlag spielte sich nahe unseres Hörfunkstudios ab. Und in Washington war es die zweite Amtseinführung von Barack Obama im Januar 2013, die ich zusammen mit Tina Hassel begleiten durfte. Obamas Vater stammt aus Kenia, was aufgrund meiner dortigen Korrespondentstation für mich dann auch eine besondere Verbindung hatte.

Gibt es ein verbindendes Element Ihrer Arbeit an diesen drei Orten?

Ralph Sina: Brüssel wie Washington sind Städte, denen etwas Unwirkliches anhaftet. Sie sind Kunstprodukte, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben – Standorte einer abgehobenen politischen Elite. Nairobi ist da das komplette Gegenteil: Da wohnt man direkt neben den Slums, die Armut hat man immer direkt vor Augen. Beispielsweise wenn ich meine Tochter zum Schulbus gebracht habe.

Welche politischen Persönlichkeiten haben Sie in dieser Zeit am meisten geprägt?

Ralph Sina: In Kenia hat mich die Arbeit der Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai fasziniert, die sich für Frauenpolitik und Umweltschutz, speziell für Baumschulen, eingesetzt hat. Unterstützung bekam sie in dieser Zeit von Klaus Töpfer, Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Nairobi. Beeindruckt haben mich auch Barack Obama und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der in vielen Dingen eine klare Kante gezeigt hat.

Sie haben einmal gesagt, Realität sei spannend, wenn man sie destilliert. War das auch ein Leitsatz Ihrer Arbeit?

Ralph Sina: Ich habe mich in der Tat immer bemüht, bei politischen Themen nicht nur die Politiker*innen zu Wort kommen zu lassen. Sondern z.B. auch Berufsgruppen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind. Diesen Ansatz habe ich immer für interessanter gehalten. Man muss aus der Blase herauskommen, am Ende dann aber wieder den Bogen zurück spannen.

Für viele Menschen ist EU-Politik oft noch weit weg. Wie kann man das künftig ändern, wie erhöht man das Interesse der Bürger dafür?

Ralph Sina: Beim aktuellen Thema Corona und der Impfstoffbeschaffung spielt natürlich auch die EU eine wichtige Rolle. Aber es stimmt, oftmals ist die EU gefühlte Lichtjahre entfernt. Vielleicht sollten die EU-Kommissare mal ins Ruhrgebiet fahren, dort vor Ort mit Betroffenen über die Chancen von grünem Stahl sprechen und ihre Ideen in die Brennpunkte verlagern.

Welche persönlichen Erfahrungen von Ihrer Arbeit als Korrespondent nehmen Sie mit?

Ralph Sina: Es war das größte Geschenk meines Lebens, als Korrespondent arbeiten zu dürfen, vom WDR diese Chance zu bekommen. Ich hatte das nie angestrebt – und dann waren es sogar drei Stationen. In Brüssel waren wir ein tolles Team, das hatte schon WG-Charakter. Auf der anderen Seite hat man seine Kinder und Haustiere auch ein Stück weit entwurzelt. Einen festen Ankerpunkt in Deutschland zu suchen, das habe ich vielleicht versäumt.

Wie sehen Ihre Pläne für den künftigen Ruhestand aus?

Ralph Sina: Ich habe Kinder und Enkelkinder in NRW – und plane, alle zwei Monate aus den USA in die Heimat zu reisen. Daneben habe ich  berufliche Pläne für die neue Lebensphase. Und vor allem den Plan, das Leben relaxt zu genießen.