Westpol: "30 Jahre unbequem"

Stand: 07.01.2022, 15:13 Uhr

  • Jubiläumssendung am 9. Januar, 19.30 Uhr, WDR Fernsehen
  • Sendung erinnert an die Skandale, die "Westpol" aufdeckte
  • Ab März: "Westpol Hausbesuch – Was bewegt NRW?"
  • Mit dem Instagram-Kanal Klima.neutral punktet "Westpol" bei jungen Leuten

Rundes Jubiläum: Seit 1992 liefert "Westpol" hintergründige, kritische und investigative Politikberichterstattung aus NRW. "Mir ist es eine Ehre, dieses landespolitische Magazin zu präsentieren", sagt Gabi Ludwig, Chefredakteurin der Landesprogramme, die "Westpol" seit 2007 moderiert. "Ich erlebe eine hochprofessionelle und hochengagierte Mannschaft, die jede Woche mit sehr viel Herzblut die relevanten Themen für den Westen auswählt, die die Menschen betreffen und bewegen. Unsere Aufgabe ist es, vertieft zu erklären und einzuordnen, Missstände aufzudecken und der Politik kritisch den Spiegel vorzuhalten." Damit habe sich "Westpol" zu einem publizistischen Gewicht für Nordrhein-Westfalen entwickelt. Wir sprachen mit Teamleiter Boris Baumholt über Wirbel in der Vergangenheit, aktuelle Pläne zur Landtagswahl und die Zukunft des Magazins.

Als "Westpol" vor 30 Jahren aus der Taufe gehoben wurde, waren Sie noch ein Jugendlicher. Wie verlief Ihre erste Begegnung mit dem investigativen Politikmagazin für Nordrhein-Westfalen?

Als Politikstudent habe ich recht häufig politische Magazine geschaut, allerdings eher "Monitor", "Report" und "Panorama". "Westpol" habe ich erst so richtig kennengelernt, als das Magazin bereits zehn Jahre alt war. Harald Brand, damals Chefredakteur, hatte die Sendung moderiert. Ich wusste, dass er in der Auswahlkommission für die WDR-Volontäre saß, zu der ich eingeladen war. Ich habe mir deshalb 2002 so ziemlich jede Sendung reingezogen, um gut vorbereitet zu sein. Die "Westpol"-Redaktion hat schon damals sehr gut recherchierte Geschichten gemacht, über Korruption bei der Landesbank WestLB zum Beispiel. "Westpol" braucht sich vor den ARD-Magazinen gar nicht zu verstecken. Ich bin sehr froh, dass ich dann 2008 als Redakteur zum Team nach Düsseldorf gestoßen bin und seit 2019 das "Westpol"-Team leiten darf.

Wie feiern Sie das runde Jubiläum in der Sendung am 9. Januar?

Es wird eine sehr besondere Sendung werden. Wir haben nochmal die großen Aufreger aus dem Archiv geholt, die Recherchen, mit denen wir bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und Debatten angestoßen haben. Wir waren 30 Jahre lang unbequem für viele Politiker:innen. Egal, wer gerade regiert hat, wir sind ihnen auf die Füße getreten und manchmal auch gehörig auf die Nerven gegangen. Deshalb haben wir uns gedacht, dass wir am Sonntag den Spieß mal umdrehen. Aktuelle und ehemalige Minister sagen uns, was sie von "Westpol" halten. Innenminister Herbert Reul oder der ehemalige Finanzminister und SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sind unter anderem dabei. Wir wollen aber natürlich nicht nur in Nostalgie schwelgen, schließlich sind wir ein aktuelles Politik-Magazin. Deshalb gucken wir am Sonntag auch darauf, wie Nordrhein-Westfalen für die anrollende Omikron-Welle gerüstet ist, wie gut die Polizei mittlerweile sexualisierte Gewalt gegen Kinder ermittelt, und warum der Atomausstieg gerade in Nordrhein-Westfalen noch gar nicht vollzogen ist.

"Westpol" hat in all den Jahren diverse Skandale aufgedeckt. In welchen Fällen führte Ihre Berichterstattung zu Konsequenzen?

Denken sie nur an unsere Berichterstattung über die Zustände in der Fleischindustrie. Wir waren 2020 die ersten, die mit eindrücklichen Bildern belegen konnten, wie in den Unterkünften von Westfleisch-Mitarbeitern systematisch gegen Corona-Maßnahmen verstoßen wurde. Schlechte Hygiene, überfüllte Räume; der Bundesarbeitsminister hat später reagiert und die Regelungen verschärft. In NRW wird mittlerweile häufiger kontrolliert. Das ist natürlich nicht allein durch unsere Berichterstattung passiert, aber unser Bilder und Recherchen wurden immer wieder als Beleg genommen, wie es eben nicht laufen darf. Auch unsere Recherchen über die Misshandlungen im Flüchtlingsheim Burbach, über den Giftmüllskandal bei der Dortmunder Firma Envio oder zur Kölner Silvesternacht haben für mächtig Wirbel, hitzige politische Debatten und auch Gerichtsverfahren geführt. Daran erinnere ich mich noch sehr gut.

Wie balancieren Sie Nähe und Distanz zur Macht aus, um einerseits Informationen zu erhalten, anderseits kritische Berichterstattung zu gewährleisten?

Unsere "Westpol"-Redaktion ist Luftlinie gerade mal 100 Meter vom nordrhein-westfälischen Landtag entfernt. Meine Kolleg:innen und ich kennen viele Politiker:innen seit Jahren. Wir trinken auch schon mal einen Kaffee zusammen oder treffen uns in der Kantine. Der regelmäßige Austausch ist wichtig, so kommen wir sicher manchmal auch an Informationen, an die andere nicht kommen. Unsere Gesprächspartner wissen, dass wir kritisch und sehr hartnäckig sind, aber trotzdem fair. Gute Geschichten müssen von Fakten getragen werden, das ist das Grundprinzip. Wir legen großen Wert auf fundierte Recherche, viele unserer Quellen kommen dabei übrigens gar nicht aus der Politik.

Ist investigatives Arbeiten in den vergangenen Jahren schwieriger geworden?

Das würde ich nicht sagen. Investigatives Arbeiten war und ist immer das Bohren von dicken Brettern. Man braucht da oft einen langen Atem. Bei umfangreichen Recherchen machen Kooperationen mit anderen Investigativ-Redaktionen großen Sinn. Wir arbeiten immer wieder gern mit den großartigen Kolleg:innen von "Monitor", der "story" oder dem Investigativ-Team von WDR, NDR und SZ zusammen. Unsere Stärke ist dabei der Fokus auf NRW. Da haben wir eine große Expertise.

 Im Mai sind Landtagswahlen in NRW. Wie begleitet "Westpol" das Polit-Ereignis?

Klar, der Landtagswahlkampf wird unsere Berichterstattung der nächsten Monate prägen. Die Wahl findet in besonderen Zeiten statt. Die Pandemie stellt das Leben der Menschen weiterhin auf den Kopf. Das Vertrauen in die Politik ist zum Teil angeknackst. Welche Bedürfnisse, welche Erwartungen haben die Menschen? Was muss sich ändern? Wir werden diesen Fragen im Vorfeld der Landtagswahl unter anderem mit einer besonderen Reportage-Reihe nachspüren. "Westpol"-Moderatorin Siham El-Maimouni trifft unterschiedlichste Menschen im Land. Sie begleitet beispielsweise eine Familie bei der schwierigen Wohnungssuche, steht mit einem Pendler im Stau oder besucht eine Schulsozialarbeiterin. Nach ihren Begegnungen konfrontiert Siham El-Maimouni Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft oder Verwaltung mit den Erwartungen der Bürger:innen. Die Reihe "Westpol Hausbesuch – Was bewegt NRW?" gibt es zwischen Anfang März und Mitte Mai dann sonntags in unserer Sendung zu sehen.

"Westpol" hat es immer geschafft relevant zu bleiben. Das belegen nicht zuletzt die Einschaltquoten. Wie kann das auch in Zukunft weiter gelingen?

"Westpol" wird sein Profil als kritisches, hintergründiges und investigatives Politikmagazin für Nordrhein-Westfalen weiter schärfen. Damit sind wir gut gefahren. Wir werden uns auch in Zukunft den Problemen und Sorgen der Menschen in NRW annehmen. Auf den tollen Einschaltquoten werden wir uns aber sicher nicht ausruhen. Wir müssen unsere Inhalte noch stärker über die digitalen Kanäle ausspielen und ein jüngeres Publikum erreichen. Aus unserer Redaktion heraus haben wir den Instagram-Kanal Klima.neutral entwickelt. Damit haben wir gerade großen Erfolg bei jungen Leuten. Das sind wichtige Schritte in die Zukunft.

Westpol, sonntags, 19.30 Uhr, WDR Fernsehen

Das Interview führte Christian Gottschalk