Skrupellose Loverboys

Stand: 30.08.2017, 11:51 Uhr

Samy Abdel Fattah gehört zur Riege der großartigen deutschen Jungschauspieler. In dem Fernsehfilm des WDR "Ich gehöre ihm" zeigt der 19-Jährige ein facettenreiches Spiel: Filmpartnerin Anna Bachmann erlebt ihn als verliebten Verehrer und teuflischen Zuhälter.

Mit seinen feinen Gesichtszügen, dem kinnlangen Haarschopf mit dem coolen Undercut und einem entwaffnenden Lächeln lässt er Mädchenherzen schmelzen. Seine Liebe schenkt er aber ausgerechnet der unscheinbaren Caro, nennt sie "Prinzessin" und trägt sie auf Händen. Doch der wahr gewordene Mädchentraum wird für die 15-Jährige aus gut behütetem Hause jäh zum Alptraum, denn ihr angebeteter Cem entpuppt sich als Loverboy. So werden junge Männer genannt, die minderjährige Mädchen emotional abhängig machen und sie dann in die Prostitution zwingen. Die Opfer werden dabei immer tiefer in einen Strudel aus vorgetäuschter Liebe, Drogen, Erpressung, sexueller Ausbeutung und Gewalt gezogen.

Im Casting auf Anhieb überzeugt

"Samy Abdel Fattah spielt die gegensätzlichen Facetten des Cem mit großer Glaubwürdigkeit und kann den Charmeur ebenso authentisch verkörpern wie den skrupellosen und gewalttätigen Zuhälter", schwärmt Corinna Liedtke, Redakteurin des WDR-Fernsehfilms "Ich gehöre ihm". Beim Casting hat er deshalb auf Anhieb überzeugt und sich gegen zahlreiche andere Kandidaten durchgesetzt. Obwohl Samy Abdel Fattah erst 19 ist, kann er schon auf eine stattliche Laufbahn zurückblicken. Bereits in der Grundschule spielte er leidenschaftlich gerne Theater und steht auch heute manchmal in Berliner Off-Theatern auf der Bühne. Mit 14 war er erstmals in einem Fernsehfilm zu sehen, verkörperte einen leukämiekranken Jungen in "Jeder Tag zählt". Es folgten zahlreiche weitere Rollen. In "Bis zum Ende der Welt" stand er als Roma- Junge Bero neben Christiane Hörbiger vor der Kamera. Der Film wurde 2014 in der ARD-Themenwoche „Toleranz“ ausgestrahlt. Auch in zwei »Tatort«-Folgen wurde er besetzt, zuletzt als mordverdächtiger marokkanischer Jugendlicher im Kölner »Tatort« "Die Wacht am Rhein", der die weitreichenden Folgen der Silvester- Nacht 2016 thematisierte.

Zur Vorbereitung auf die Rolle des Cem hat Samy sich Dokumentationen über das Phänomen der Loverboys angeschaut und viel darüber gelesen. Er hat aber auch beobachtet, wie Zuhälter sich geben und bewegen. "Ich lebe in Berlin", sagt er, "da muss man nur mit offenen Augen durch die Straßen gehen." Diese Studien habe er natürlich möglichst diskret durchgeführt: "Ich hatte schon Schiss, dass so einer mal rüberkommt!" Samy wundert sich selbst, dass es ihm relativ leicht fiel, den fiesen Typen zu spielen. Nachdem er in zehnstündigen Drehs seinen Aggressionen freien Lauf gelassen hatte, fühlte er sich allerdings "irgendwie angeschlagen" und brauchte einige Zeit, um wieder in der Realität anzukommen. Seine Agentur bietet regelmäßig Coachings für Jungdarsteller an. "Die haben mir sehr geholfen. Und auch Regisseur Thomas Durchschlag hat mich und Anna Bachmann, die im Film mein Opfer spielt, dabei unterstützt, in die Rollen hinein- und wieder herauszufinden." Überhaupt sei der Support vom ganzen Team – unter anderem Maria Simon und Bernd Michael Lade als Caros Eltern – ganz toll gewesen.

Dreharbeiten im Irak

Aufgrund seines orientalisch-südländischen Aussehens ist Samy meist in Rollen zu sehen, die einen Migrationshintergrund haben. Noch macht er sich allerdings keine Sorgen, in einer Schublade zu landen: "So lange ich nicht nur den Kanaken, der Mist baut, spielen darf." Samys Wurzeln liegen in Polen und Ägypten, seine Mutter ist Katholikin, sein Vater Muslim. Und auch Samy versteht sich als gläubigen Menschen, will sich aber nicht zwischen Christentum und Islam entscheiden: "Ich habe in beiden Kulturen Familie, und wir sind alle ziemlich locker, was Religion angeht."

Noch wohnt Samy bei seinen Eltern. Viel zu Hause ist er ohnehin nicht. Regelmäßig dreht er in Köln für die RTL-Serie „Der Lehrer“. Gerade war er für seinen ersten Kinofilm „Milan Protokoll“ im Irak. "Als das Angebot kam, habe ich schon erst mal geschluckt", erzählt er, "aber wir haben in einer sicheren Gegend gedreht, wo keine Kämpfe stattfinden." In dem vom WDR mitproduzierten Thriller (Redaktion: Andrea Hanke) spielt Samy einen in Deutschland aufgewachsenen jungen Mann, der als Mitglied einer mit dem IS kooperierenden Stammesgruppe eine deutsche Ärztin entführt. Kinostart ist voraussichtlich Anfang kommenden Jahres.

Schauspielschule oder Studium?

Neben der Arbeit hat Samy dieses Jahr sein Abitur gemacht. Er kann sich vorstellen, doch noch eine Schauspielschule zu besuchen oder vielleicht Medienwissenschaften zu studieren. Aber nach 13 Jahren Schule will er zunächst seine neue Freiheit genießen. Außerdem läuft es momentan ja mit der Schauspielerei: "Erst mal kein Grund für einen Plan B."