Ruine nach dem Brandanschlag in Solingen 1993.

Hörstück mit erschütternder Intensität

Stand: 07.05.2020, 12:11 Uhr

  • WDR-Produktion "türken, feuer" ist Hörspiel des Monats der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste im April
  • Stück widmet sich Opfern des rassistischen Brandanschlags von Solingen 1993
  • Jury: Ein Hörspiel gegen das Vergessen und der Verdrängung dieser Verbrechen

Von Christoph Pierschke

Fünf Menschen türkischer Abstammung kamen bei dem Brandanschlag am 29. Mai 1993 in Solingen ums Leben. Eine von ihnen war Gürsün İnce, die sich für ihre dreijährige Tochter opferte, als sie mit ihr aus dem Fenster sprang. Das Hörspiel "türken, feuer" von Özlem Özgül Dündar gibt ihr eine Stimme. Ihr und weiteren Frauen: der Mutter eines mutmaßlichen Täters, einer zweite Toten und einer Überlebenden. Sie alle kreisen in Gedanken um die Katastrophe und das Leben mit dem Schmerz. Der Fenstersprung, die Angst vor dem Feuer und das Schweigen, bis die Polizei eintrifft: Die Frauen bleiben in ihrem Erleben gefangen und suchen trotzdem nach Austausch, Begegnung und der Möglichkeit eines Gesprächs.

Dringende Empfehlung für Lehrpläne in Schulen

"Es ist ein großes Verdienst dieses Hörstücks, dass es dem Vergessen und der Verdrängung dieser Verbrechen entgegentritt", schreibt die Jury in ihrer Begründung. Das am 18. April 2020 auf WDR 3 und am 19. April auf WDR 5 gesendete Hörspiel gebe den Frauen eine Sprache, "deren poetische Bilder so dosiert und präzise sind, dass sie das Geschehen mit einem Höchstmaß an erschütternder Intensität vergegenwärtigen."

Özlem Özgül Dündar belasse es in ihrem Hörspiel aber nicht dabei, nur den Opfern und somit auch den Frauen eine Stimme zu verleihen, sondern sie fordere zur Auseinandersetzung auch mit unvereinbaren Positionen auf, urteilt die Jury. "Eben dieser Perspektivwechsel ist die Grundvoraussetzung für die Überwindung rassistischer Denk- und Handlungsstrukturen." Wegen seiner großen gesellschaftlichen und politischen Dringlichkeit gibt die Jury die dringende Empfehlung, dieses Stück nicht nur zu hören, sondern es in die Lehrpläne deutscher Schulen aufzunehmen.

Das Hörspiel des Monats zeichnet die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste seit 1977 monatlich aus.