"Er sprang uns sofort ins Auge, weil er eine besondere Energie ausstrahlte"

Stand: 02.04.2017, 18:40 Uhr

Im Theater Marl sind am Freitagabend zum 53. Mal die Grimme-Preise verliehen worden. Nicht nur für die beiden Dokumentarfilmer Jürgen Brügger und Jörg Haaßengier war es ein ganz besonderer Abend. Gemeinsam mit Protagonist Lutwi (12) und der Redakteurin des Films Emanuela Penev haben sie die begehrte Trophäe in der Kategorie Kinder und Jugend für den "HIER UND HEUTE"-Film "Nordstadtkinder – Lutwi" entgegengenommen.

Von WDR Presse und Information

 "Unser erstes Ziel war es, ein Porträt über Lutwi zu machen. Wir kannten seine Problematik nicht, als wir ihn kennenlernten", sagte Dokumentarfilmer Jürgen Brügger bei der Verleihung.

"Nordstadtkinder – Lutwi" erzählt die Geschichte des zwölfjährigen Lutwi aus der Dortmunder Nordstadt. Seine Familie stammt aus dem Kosovo. Lutwi hat Angst vor einer Abschiebung. Der Zuschauer erlebt Lutwis Alltag – zwischen enormer Belastung und kindlicher Leichtigkeit – konsequent aus der Perspektive des Jungen erzählt. Für die Jury unterscheidet sich "diese Perle aus der WDR-Reihe von den meisten dokumentarischen Versuchen, jungen Menschen Fluchtbiografien näher zu bringen".

"Uns war wichtig, dass wir die eigene, persönliche Haltung, die jeder von uns natürlich hat, erst einmal an die Seite legen, um einen Film aus der Perspektive von Lutwi machen zu können. Dieser Film gehört in eine Reihe von zehn Filmen, die Kinder aus der Nordstadt porträtieren. Wir wollten die Nordstadt nicht so darstellen wie Erwachsene sie erleben, sondern so wie Kinder sie erleben. Die rennen ja nicht da rum und sagen: Es ist alles schlimm hier, das ist ein sozialer Brennpunkt, sondern das ist für sie total normal. Und diese Perspektive mit ganz unterschiedlichen Geschichten zu transportieren, das war unser Ziel", erklärte Emanuela Penev die Idee der Redaktion HIER UND HEUTE im Gespräch mit Moderator Jörg Thadeusz.

Brügger und Haaßengier trafen Lutwi, als sie mit Fahrrädern in der Dortmunder Nordstadt unterwegs waren, um den Stadtteil für einen Film auf sich wirken zu lassen. "Gegenüber dem Künstlerhaus spielte Lutwi mit Freunden ein Fußballkartenspiel. Er sprang uns sofort ins Auge, weil er eine besondere Energie ausstrahlte", erinnert sich Jörg Haaßengier an die erste Begegnung mit dem Jungen. "Meine Freunde sind zu mir gekommen und haben gefragt: Dürfen wir mitspielen", so Protagonist Lutwi in Marl über den Anfang der Dreharbeiten.

Der Film ist Teil des crossmedialen Gesamtprojektes "Nordstadtkinder". Es besteht neben zehn Filmen auch aus einer großen Web-Doku und arbeitet die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen aus der Dortmunder Nordstadt dokumentarisch auf.

Aus diesem Projekt der Redaktion HIER UND HEUTE war im vergangenen Jahr bereits der Film "Nordstadtkinder – Stefan" (Buch/Regie: Bettina Braun, Redaktion: Maik Bialk und Dorothee Pitz) für den Grimme-Preis nominiert.

Ebenfalls freuen darf sich der WDR über den Sonderpreis Innovation für die Produzentin Gabriele Sperl und ihr Konzept für die ARD-Trilogie "Mitten in Deutschland: NSU". Der WDR hatte beim zweiten Teil mit dem Titel "Die Opfer – Vergesst mich nicht" die Federführung (Redaktion: Dr. Barbara Buhl, Götz Bolten, Corinna Liedtke). In dieser Trilogie geht es um die Mordserie des sogenannten NSU, dessen Opfer und die Rolle der Ermittler.

Insgesamt werden bei der Grimme-Gala zwölf Preise und mehrere Spezialpreise für besondere journalistische Leistungen vergeben. Der undotierte Preis wird seit 1964 vergeben und gilt als wichtigster deutscher Fernsehpreis.