Wie steht es um die Gleichstellung von Frauen und Männern im WDR? Der Bericht der Beauftragten für Gleichstellung für das Jahr 2021, den der Rundfunkrat am 27. Oktober behandelte, zeichnet ein vielschichtiges Bild.

Gleichstellung, eine "fragile Errungenschaft"

Stand: 31.10.2022, 11:38 Uhr

Wie steht es um die Gleichstellung von Frauen und Männern im WDR? Der Bericht der Beauftragten für Gleichstellung für das Jahr 2021, den der Rundfunkrat am 27. Oktober behandelte, zeichnet ein vielschichtiges Bild. Er beinhaltet Erfolge, aber auch Stillstand und Rückschritte.

"Andrea Schafarczyk wird neue Programmdirektorin für NRW, Wissen und Kultur", "Gudrun Engel leitet ab Juli das ARD-Studio in Washington", "Der WDR-Rundfunkrat hat mit Dr. Katrin Neukamm und Prof. Dr. Caroline Volkmann eine Doppelspitze für das Justiziariat gewählt" – Pressemitteilungen und Personalien im Intranet allein aus diesem Jahr vermitteln den Eindruck, dass die Frauen in Öffentlichkeitswirksamen Bereichen des WDR oder in der Geschäftsleitung längst nicht mehr im Schatten ihrer Kollegen stehen. Der WDR-Gleichstellungsbericht bestätigt diesen Eindruck: Seit 2021 sind nun fast zwei Drittel der ins Ausland entsendeten Korrespondent:innen Frauen. Zudem ist die Leitung der Studios sowohl im Ausland mit einem Verhältnis 8:3 als auch in der Region – 7:4 – mehrheitlich in der Hand von Journalistinnen. Und auch an der Spitze des WDR ist die Entwicklung positiv: Die Geschäftsleitung ist seit Jahren paritätisch besetzt.

Der Frauenmachtanteil

Doch prestigeträchtige WDR-Jobs, wie Chefredakteurin, Auslandschefin, Korrespondentin oder Redakteurin (53 Prozent der Redakteur:innen sind Frauen), sagen nur bedingt etwas darüber aus, wieviel Einfluss Frauen im WDR haben. In dem Kapitel "Frauenmachtanteil" untersucht die Beauftragte für Gleichstellung, Britta Frielingsdorf, die Führungsebenen nach dem Modell, das ursprünglich von "ProQuote Medien" eingeführt wurde: Je höher in der Hierarchie, desto höher der Faktor, mit dem die Führungskräfte in die Berechnung eingehen. Das Ergebnis für den WDR: "Der ,Frauenmachtanteil‘ liegt mit 37,9 Prozent erwartungsgemäß niedriger als der durchschnittliche Frauenanteil in Führungspositionen der 1. bis 3. Hierarchie-Ebene mit 43,5 Prozent", sagt Frielingsdorf, "das liegt im Wesentlichen an dem geringen Frauenanteil auf der 2. Ebene der Hierarchie direkt unterhalb der Geschäftsleitung. Im Vergleich zu 2020 hat sich der Machtanteil von 38,5 auf 37,9 Prozent sogar leicht verringert."

Männer- und Frauenanteile in den Direktionen

Und wie sieht es in Teams und Abteilungen aus, die nicht im Fokus des medialen Interesses stehen? Britta Frielingsdorf: "Der WDR ist Teil unserer Gesellschaft. Die bekannten Muster greifen auch bei uns: Zu wenig Frauen in Produktion und Technik, zu wenig Frauen im Sport. Deutlich mehr Frauen als Männer in Teilzeit, deutlich mehr Mütter als Väter in Elternzeit, und das auch deutlich länger."

Wie steht es um die Gleichstellung von Frauen und Männern im WDR? Der Bericht der Beauftragten für Gleichstellung für das Jahr 2021, den der Rundfunkrat am 27. Oktober behandelte, zeichnet ein vielschichtiges Bild.

In der Tat schneidet die Direktion Produktion und Technik mit einem Anteil von nur 32,7 Prozent Frauen mit Abstand am schlechtesten ab. In allen anderen Direktionen und in der Intendanz dominiert zumindest zahlenmäßig das weibliche Geschlecht. Der höchste Männeranteil im WDR mit je 100 Prozent findet sich auch 2021 weiterhin im Bereich Beleuchtung und in der Fahrbereitschaft. Doch in diesem Jahr verzeichnet der Ausbildungssektor eine Premiere: Zum ersten Mal bildet der WDR eine Berufskraftfahrerin aus. "Natürlich wünsche ich mir, dass auch Fahrerinnen die WDR-Ü-Wagen fahren. Das würde Bilder in unseren Köpfen durcheinanderwirbeln und jungen Frauen zeigen, was im WDR alles möglich ist", betont Britta Frielingsdorf.

"Auf die eigene Ausbildung setzen"

Hohe Männeranteile finden sich traditionell bei Kameraleuten, Organisations- und IT-Berufen, Ingenieurs- und Technikberufen und im Handwerksbereich. Woran liegt das? Werden nach wie vor die Weichen in der Erziehung und in den Schulen nicht richtig gestellt? Hat der WDR noch nicht alle Mittel und Wege ausgeschöpft, weiblichen Nachwuchs für diese Jobs zu akquirieren? Oder müssen wir uns der Tatsache beugen, dass Interessen und Talente von Frauen und Männern unterschiedlich sind? "Da kommen viele Faktoren zusammen. Schon die Welt für Kinder ist in unserer Gesellschaft weitgehend rosa und hellblau. Geschlechterstereotype Zuschreibungen lauern überall. Da ist doch klar, dass sich teilweise unterschiedliche Interessen und Talente entwickeln", so die Beauftragte für Gleichstellung. "Aber es gibt ja Informatikerinnen, Ingenieurinnen und Technikerinnen. Wir müssen sie nur für den WDR interessieren. Und wir tun gut daran, auf die eigene Ausbildung zu setzen, und junge Frauen als Auszubildende, Praktikantinnen und Trainees zu finden und an den WDR zu binden."

Frauen auf der Karriereleiter

Weitere Themen des WDR-Gleichstellungsberichtes sind unter anderen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, der Gender Pay Gap und das Top-Sharing. Außerdem bietet er Frauen auf der Karriereleiter einen Fundus an Führungskräfteschulungen und unterschiedliche Mentoring-Programme. Ihr Anteil in den beiden höchsten Vergütungsgruppen AT und VG I hat sich 2021 zwar um 1,4 Prozentpunkte auf 38,8 Prozent erhöht. Doch bei den AT-Positionen ist er im Vergleich zum Vorjahr wieder gesunken – von 29,4 auf 27,3 Prozent. Britta Frielingsdorf: "Parität von Frauen und Männern hat der WDR hier noch lange nicht erreicht." Ihr Fazit mit Blick auf die gesamte Entwicklung: "Der WDR ist Abbild unserer Gesellschaft. Was die Gleichstellung der Geschlechter betrifft, sind die errungenen Fortschritte fragil."