"Echt wir - So lebt der Westen"

Jeder Tagebucheintrag "eine kleine Überraschung"

Stand: 22.08.2016, 12:13 Uhr

Zum 70. Geburtstag von Nordrhein-Westfalen hat der WDR die große Web-Doku "ECHT WIR. So lebt der Westen." produziert. Dabei sichteten die Cutter und Cutterinnen des Projekts gemeinsam mit den Autorinnen fast 8.000 Clips und mehr als 200 Stunden Filmmaterial.

Von Verena Waltmann

20 Protagonisten, 7.650 eingeschickte Clips, 217 Stunden Material - daraus sollten eine 155 minütige Fernseh- und eine Web-Doku konzipiert werden. Dieser Mammut-Aufgabe widmeten sich die Cutterinnen und Cutter Julia Heimbach, Silvia Peters und Julius Krenz gemeinsam mit den vier Autorinnen Anne Bielefeld, Alexandra Hostert,Cathrin Leopold und Julia Schöning in den vergangenen Monaten. Sie sichteten und schnitten das Material zu "ECHT WIR. So lebt der Westen", ein Projekt der "Hier und Heute"-Redaktion.

"So großes Vertrauen geschenkt"

Ganz unterschiedliche Geschichten haben  die Cutter bewegt: Julia Heimbach berührte besonders das Schicksal der jungen Hannah Seeger, die ihren Vater verloren hat. "Ihr Umgang mit der Trauer um ihren Vater hat mich sehr beeindruckt. Sie schildert in ihren Tagebüchern auf sehr berührende und positive Weise wie ihr verstorbener Vater sie weiterhin in ihrem Alltag begleitet." So schießt Hannah beispielweise an Silvester eine extra "Papa-Rakete" ab, um sich an das vergangene Jahr ohne ihn zu erinnern. Für die Cutterin sind die Videotagebücher traurig und schön zugleich. "Bereits bei der Sichtung des Materials war ich zeitweise zu Tränen gerührt."

Für Julius Krenz stachen besonders die Geschichten von David und Lisa hervor. Er findet, dass sie ihr Leben gerade wegen ihrer Situation als Rollstuhlfahrer sehr viel besser meistern als andere. "Sie gehen viel bewusster mit Situationen um. Wenn die beiden für ihre Skate- Leidenschaft unter anderem viele Autofahrten auf sich nehmen, um zu Workshops oder Turnieren zu gelangen, planen sie alles genau durch. Wenn sie einmal im Auto sitzen, wissen sie, dass sie zehn Minuten brauchen, um wieder herauszukommen. Deswegen essen sie auf ihren Fahrten zum Beispiel auch nur bei Fast-Food-Ketten, denn dort gibt Drive-in-Schalter."

Cutterin Silvia Peters sind alle Hauptcharaktere ans Herz gewachsen. "Ohne, dass ich sie je kennengelernt habe, fühlt es sich so an, als wäre ich Teil ihrer Geschichte. Schön, dass sie uns so großes Vertrauen geschenkt haben."

Sehr persönliche Einblicke

Im Vorfeld bestand die Herausforderung für alle Drei darin, einen Überblick über das Material zu bekommen: Das stammte von 20 Protagonisten zwischen 18 und 88 Jahren, die über mehrere Monate Lebensphasen mit dem Handy dokumentiert hatten. In den Videos geht es ums Erwachsenwerden, Belastungen im Job, Alterseinsamkeit, Liebe, Sehnsüchte oder Träume. Julius Krenz: „Bei so viel Material ist es fast unmöglich, den Überblick zu behalten. Das geht nur durch gutes und genaues Sichten und eine strukturierte Vorsortierung.“ Für Julia Heimbach war es vor allem spannend, als die ersten Aufnahmen eintrafen, da die Videos sehr persönliche Einblicke in das Leben der Protagonisten gewährten. Für sie war "jeder Tagebucheintrag eine kleine Überraschung."

Nach der Sichtung wurden die einzelnen Clips zu stringenten Episoden zusammengefasst – zehn bis 20 pro Hauptcharakter. Auf WDR.de sind sie als Videotagebücher zu sehen. "In manchen Fällen war die Auswahl gar nicht so kompliziert", sagte Julius Krenz. "Bei anderen bestand die Herausforderung darin, vermeintlich banale Situationen und Aussagen zu einer interessanten Geschichte werden zu lassen."

Für die komprimierte Fernsehfassung galt es, die Inhalte in kürzerer Sendezeit prägnant und verständlich darzustellen. Dabei war den Cuttern wichtig, dass die ausgewählten Protagonisten die Zuschauerinnen und Zuschauer besonders berühren. Julia Heimbach: "Da fehlen natürlich leider schöne Szenen – also unbedingt die Webdoku gucken."