Wie listige Ruhris das Radio-Verbot aufhoben

Stand: 24.03.2016, 13:06 Uhr

Die erste Radiosendung 1925 aus Dortmund war das Happy End eines Thrillers. Die Menschen an Rhein und Ruhr kippten das Radioverbot der alliierten Besatzer nach dem 1. Weltkrieg auf listige Art und Weise. Dabei wollten die jungen Leute von damals doch nur Spaß mit dem, was da von Dortmund aus durch den Äther kam.

Große Kopfhörer mit Bügeln liegen bei jungen Leute gerade wieder im Trend. Und die Teenies werden grinsen, wenn sie hören, dass ihre Ur-Opas und Ur-Omas sich mit ähnlich imposanten Kopfhörern auf den Ohren beschallen ließen. Die konnten natürlich vor 90 Jahren nicht überall mit dem Handy daddeln, sondern sie mussten starr vor dem Radio-Detektor sitzen bleiben und wippten zu damals kessen Hits wie "Die schöne Adrienne hat eine Hochantenne".

Radiohören unter Todesstrafe verboten

Unsere Omas und Opas waren deshalb so elektrisiert von dem neuen Medium, weil die erste Radiosendung heute vor 90 Jahren nur mit List und Tücke zustande kam: Radio und sogar Brieftauben waren bis dahin streng verboten. Nach dem 1. Weltkrieg verdächtigten die französischen Besatzer die Rheinländer und Ruhrgebietler, sie könnten übers  Radio Widerstand  anzetteln. Deshalb waren weder Rundfunkwellen noch Brieftauben als Informationsaustausch erlaubt. Beides war sogar unter Todesstrafe verboten.

Die Bürger in der westfälischen Provinz wurden offensichtlich für harmloser gehalten, denn die durften in Münster schon ab 1924 einen regionalen Radiosender betreiben. Ein Jahr später ließen sich die drastischen Verbote dann aber auch weiter südlich nicht mehr halten. Listig hatten die Funkbetreiber eine bescheidene Frequenz fürs Ruhrgebiet erkämpft, dann stellten sie aber den Sendemast in Dortmund-Dorstfeld so geschickt auf die hohe Zechenhalde, dass die Rheinländer mithören konnten.

Die Rheinländer hörten mit

Der erste Reporter Jobst Haslinde  baute ein pleite gegangenes Dortmunder Pfandhaus zum Sendestudio um: Der Raum rund um das Mikrophon wurde mit Unmengen von Samt und Plüsch ausgestopft, damit der Klang ganz gedämpft durch den Äther ging.

Aber diese Angst vor dem echten Leben trieben die Reporter dem Radio schnell aus: Jobst Haslinde ging mit dem Mikrophon live dahin, wo das Leben toste: Zum 6-Tage-Rennen oder sogar unter Tage, wo die Bergleute die Kohle abfrästen. Das war neu und sensationell, und viel spannender als die Hochkultur des Berliner Rundfunks! Die neue "Ätherwelle" Dortmund sendete aus dem prallen Leben: Radio war ab jetzt fürs Volk da.

Reportagen aus dem echten Leben

Die Radiofreaks an den Gemeinschaftsempfängern waren hin und weg. Auch die Wirtschaft entdeckte die Ätherwellen als den neuen Unterhaltungstrend für Zuhause. Die ersten Empfangsgeräte waren teuer, und man musste auch noch zusätzlich eine Antenne dafür kaufen. Findige Radiobesitzer umgingen diese Vorschrift aber und nutzten vorhandene Rohre in der Wohnküche zum Erden ihres Funkempfängers: Die klemmten ihr Radio einfach an den Wasserhahn.