FUNKHAUS EUROPA sendet vom 7. bis 18. März Mitschnitte des Festivals „Over the Border“

Eine Reise durch Zeit und Raum

Stand: 04.03.2016, 09:00 Uhr

Vergangenheit trifft auf Gegenwart, Orient auf Okzident – das israelische Duo Irit Dekel & Eldad Zitrin interpretiert Jazzstandards vollkommen neu und überraschend. Die beiden Musiker verzauberten das Publikum beim neuen Bonner Weltmusiktreffen „Over The Border“ mit einem Konzert auf dem Wasser. FUNKHAUS EUROPA sendet in »World Live« Mitschnitte des Festivals.

Draußen ist es frostig, der Rhein fließt mit eiligem Tempo vorbei. Die Atmosphäre an Bord ist dagegen mollig warm und ganz entspannt. Ab und zu spürt man ein leichtes Schwanken. Langsam trudeln die Konzertbesucher auf dem „Township“ ein, suchen sich einen guten Sitzplatz oder nehmen einen Drink. Eigentlich heißt das Schiff „MS Beethoven“ und fährt im Sommer Ausflügler flussauf und -ab. Doch in den Wintermonaten geht es am Bonner Brassertufer vor Anker, verwandelt sich in einen Club und Veranstaltungsort. Die großen Glasfenster geben den Blick auf den Nachthimmel und die Lichter am anderen Rheinufer frei. Ein Stückchen Sommer im kalten Nass und Grau.

Das Festival „Over the Border“ will Weltmusik neu definieren

Am Eingang des Schiffs steht Festival-Organisator Manuel Banha – etwas erschöpft, aber glücklich. Gestern war die große „Opening Night“ in der Bonner Harmonie mit den „Local Ambassadors“ und der indo-britischen Künstlerin „Soom T“ – das Publikum war begeistert. Banha hofft jetzt auf ein volles Haus, beziehungsweise Boot. „Die intime Atmosphäre und das maritime Flair passen gut zur Musik von Irit und Eldad“, sagt er. „Sie kommen ja aus der Hafenstadt Tel Aviv.“

Banha ist Event-Manager in Bonn und gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der „Music Diversity“. Gemeinsam mit Francis Gay, dem Musikchef von FUNKHAUS EUROPA, hat er ein Programm auf die Beine gestellt, das den angestaubten Begriff „Weltmusik“ neu definieren will. Keine pittoreske Folklore, sondern innovative Impulse von Künstlerinnen und Künstlern mit verschiedenen kulturellen Backgrounds. Der Name des Festivals „Over the Border“ steht dabei nicht nur für musikalische Grenzüberschreitungen, er soll auch als politisches Statement verstanden werden.

„Last of Songs“ – das sind Irit Dekel und Eldad Zitrin

Mittlerweile sind alle Besucherinnen Besucher an Bord. Das Stimmengewirr schwillt an, die Spannung steigt. Durch die Menge bahnen sich vier Personen den Weg zur Bühne im Bug. „Last of Songs“ – so heißt das Musikprojekt der Sängerin Irit Dekel und dem Multi-Instrumentalisten Eldad Zitrin. Bei ihren Live-Auftritten unterstützt sie der Bassist Adi Har Zvi und der Percussionist Elad Cohen Bonen. Zitrin greift zum Akkordeon und stimmt „No More Blues“ an – der Bossa Nova Klassiker von Antônio Carlos Jobim wird durch Tango- und Klezmer-Anleihen zu einem ganz anderen, beschwingten Stück. Fast hat man das Gefühl, das Schiff würde im Rhythmus mitschunkeln.

Beim zweiten Song, „You're My Thrill“, entfaltet das orchestrale mit elektronischen Sounds und orientalischen Klängen angereicherte Arrangement eine atemberaubende hypnotische Kraft. Der gospelartige Jazzstandard „Get Happy“ bekommt – stark verlangsamt – eine wundersame beschwörende Tiefe. Und über allem thront Dekels wunderschöne expressive Stimme. Die gelernte Schauspielerin besticht zudem durch eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Während des 50er-Jahre Klassikers „Guess Who I Saw Today“, der davon handelt, wie eine Frau ihren Ehemann beim Seitensprung erwischt, mutiert die Sängerin von einer eleganten Lady zur wahrhaften Furie.

„Some Say Love, It Is A River ...“, Bette Middlers „The Rose“ scheint für diesen Abend auf dem Fluss geschrieben worden zu sein. Wie Wellen, die sanft gegen den Schiffsrumpf plätschern – so klingt es, wenn Zitrins Finger über die Klaviertastatur wandern. Wie Ruderschläge der Rhythmus der Trommel. Am Ende des ersten Sets veranlasst der Drummer das Publikum mit einem ekstatischen Solo zu Jubelausbrüchen. „Rettet diese Energie über die Pause, vielleicht legen wir nachher noch ab“, meint Zitrin. Doch in der zweiten Hälfte verwandelt sich das Schiff bei einer treibenden Version von Grace Jones' Astor Piazzola Cover „Libertango“ in einen ratternden Zug. Billie Holidays „Willow Weep“ schließlich reißt das Publikum von den Stühlen. Ohne Zugabe darf das Quartett nicht von der Bühne.

Über Grenzen gehen und Brücken bauen

„Das war echt der Wahnsinn!“ sagt Dekel, als sie sich nach dem Konzert ein Glas Rotwein einschenkt. „Die Leute bringen der Musik und den Künstlern so viel Respekt entgegen – wir lieben Deutschland!“ In den vergangenen zwölf Monaten hatte die Band zahlreiche Auftritte quer durch die Republik. Es dauere meist etwas länger bis man die Deutschen zum Tanzen bringe, meint Zitrin, aber das Publikum sei immer offen und neugierig.

„Over the Border“ – der Titel des Festivals gefällt den beiden. „Es beschreibt genau das, was wir machen“, sagt der Musiker. „Wir überschreiten ständig Grenzen und führen Welten zusammen.“ „Die Wurzeln der Songs liegen im Jazz“, erklärt die Sängerin. „Wir nähern uns ihnen aber aus unserer persönlichen Perspektive.“ Das Duo hat den altbekannten Melodien quasi den Swing ausgetrieben, indem es die Harmonien und Grooves veränderte. Sie eigneten sich das musikalische Erbe an und hauchten ihm neues Leben ein.

Das englische Wort „last“ kann für das Vergangene oder das Letzte seiner Art stehen, aber auch für das Andauernde oder Überlebende. Dekel und Zitrin nannten ihr Projekt und ihr Debut-Album „Last of Songs“. Damit wollen sie eine Brücke schlagen zwischen heute und der Zeit, in der die bis zu 80 Jahre alten Songs entstanden. Gut möglich, dass der Weg über diese Brücke sie noch in weitere, ganz ungeahnte musikalische Gefilde führt.

Das „Over The Border“ Festival in »World Live«

MO – FR / 7. – 18. März / 23:00 – 00:00 / FUNKHAUS EUROPA

7. März: L'Ambassador

8. März: Soom T

9. März: Irit Dekel & Eldad Zitrin

10. März: Dino D'Santiago

11. März: Carminho

14. März: Blick Bassy

15. März: Flavia Coelho

16. März: Rabih Abou-Khalil Trio

17./18. März: Best of „Over the Border“