H.C. Andersen - Märchenhaft musikalisch

Stand: 13.09.2017, 15:54 Uhr

Berührende Klänge bietet ein Konzert mit dem WDR RUNDFUNKCHOR: Zwei Märchen von Hans Christian Andersen liefern die Textgrundlage für zwei emotionale Chorkompositionen. Elisabeth Graf, Altistin im WDR RUNDFUNKCHOR, hat sich intensiv mit den Werken beschäftigt und gab bei den Auftritten eine Konzerteinführung.

WDR: Der Amerikaner David Lang und der Lette Uģis Prauliņš, beide Jahrgang 1957, schrieben fast gleichzeitig (2008 und 2010) Chorwerke nach Märchen von Hans Christian Andersen. Worin unterscheiden sich die Werke?

Elisabeth Graf: David Lang hatte ursprünglich den Auftrag, eine Matthäus-Passion zu komponieren. Anstelle der Vertonung des biblischen Passionsberichts entschied er sich für das Andersen-Märchen „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ als Basiserzählung und kommentierte die Geschichte mit Texten von Chören und Arien aus der Bachschen Matthäus-Passion. Uģis Prauliņš konzentriert sich ganz auf das Märchen „Die Nachtigall“ und nutzt dabei alle klanglichen Möglichkeiten eines gemischten Chores.

WDR: In „Die Nachtigall“ wird die Titelfigur von einer Blockflöte dargestellt, die die Solistin Tabea Debus spielt. Welche Rolle nimmt der Chor bei dem Werk ein?

Tabea Debus

Tabea Debus

Graf: Die große Herausforderung ist, eine dynamische Balance zwischen einer einzelnen Blockflöte und einem mit vierzig Stimmen besetzten Chor herzustellen. Der Chor übernimmt einerseits die Rolle des Erzählers, mit differenzierter Darstellung der handelnden Personen, andererseits die Aufgabe, mit verschiedenen Klangflächen und Effekten die Atmosphäre der jeweiligen Szene herzustellen.

WDR: Was sind die gesanglichen Herausforderungen in den Kompositionen?

Graf: Die sind bei den beiden Werken durchaus verschieden: Im Werk von David Lang, das der „minimal music“ verpflichtet ist, gilt es, den vergleichsweise monoton komponierten Notentext trotzdem mit Leben zu füllen und immer wieder mehrtaktige Pausen auszuhalten. Bei Prauliņš hingegen ist oft üppiger Chorklang gefragt, der trotzdem dynamisch differenziert und in die erwähnte Balance mit der Blockflöte gebracht werden muss. Für beide Stücke gilt, dass das Material sehr umfangreich ist und einen guten Überblick verlangt.

Das Interview führte Thomas Jakobi.