Brexit? – Was die Briten antreibt

Stand: 05.02.2016, 12:50 Uhr

Jenseits des Kanals heißt es am 23. Juni: in or out. Bleibt Großbritannien in der EU oder nicht? Die Briten haben ein eher pragmatisches als emotionales Verhältnis zu Europa. Und viele sind der Meinung, Great Britain sei alleine besser dran. Ein WDR 5 Thementag hört sich am 14. Juni um, wie das Inselvolk tickt.

Splendid Isolation (wunderbare Isolation) – nur keine Allianzen eingehen. Das war schon im 19. Jahrhundert die Devise der kolonialen Weltmacht Großbritannien. Aber kann das Königreich sich in einer globalisierten Welt noch so abschotten? Kurz vor dem Referendum äußern sich mehr und mehr Kritiker. Nicht nur viele Unternehmen schreckt die Aussicht auf einen britischen Ausstieg aus der EU. Auch Vertreter aus Wissenschaft und Kultur warnen vor den Folgen eines Brexits.

Angst um den Wissenschaftsstandort GB

Stephen Hawking

Stephen Hawking

„Wenn Großbritannien aus der Europäischen Union austritt und die Bewegungsfreiheit von Wissenschaftlern zwischen Großbritannien und der EU eingeschränkt wird, dann endet dies im Desaster für die britische Wissenschaft und Universitäten“, schrieb der Astronom und Physiker Stephen Hawking in einem offenen Brief in der Tageszeitung „The Times“. 150 weitere renommierte britische Forscher haben den Appell unterzeichnet. Über 90 Prozent der geistigen Elite Englands sollen gegen den Brexit sein. Sie fürchten nicht nur, dass er wissenschaftlichen Netzwerken und Kooperationen schaden könnte. Für die Forschung wäre es außerdem verheerend, wenn Fördergelder der EU ausblieben. Die ARD-Radiokorrespondentin in London, Stephanie Pieper, hat sich für das WDR 5-Wissenschaftsmagazin »Leonardo« an britischen Universitäten umgehört und Meinungen zur Situation eingeholt.

In Europa sein oder nicht sein

Auch britische Kunst- und Kulturschaffende werden wohl überwiegend für „Stay“ votieren. Selbst wenn sie damit gezwungenermaßen auf derselben Seite stehen wie der konservative Premierminister David Cameron. Der hat mit dem Wahlversprechen, das Referendum abzuhalten, Stimmen im rechten Spektrum gefischt. Für den Brexit zu stimmen, hieße jedoch, sich auf die Seite der rechtspopulistischen UK Independence Party (UKIP) zu schlagen. Welche konkreten Folgen ein EU-Austritt hätte, weiß allerdings kaum jemand.

Der Chefdirigent des WDR FUNKHAUSORCHESTERS KÖLN, Wayne Marshall, genießt es, innerhalb Europas ohne Grenzkontrollen zu reisen. „Leute wie ich profitieren davon“, so der Brite. „Aber wer nicht ständig unterwegs ist, sieht darin vielleicht ein Problem.“ Viele Künstlerinnen und Künstler sind überzeugt, dass die interkulturellen Beziehungen und die Finanzierung von Kulturprojekten gefährdet sind.

Die Schauspieler Benedict Cumberbatch und Helena Bonham Carter, die Designerin Vivienne Westwood, der bildende Künstler Sir Aneesh Kapoor, der Musiker Jarvis Cocker und 250 weitere Prominente haben deshalb dazu aufgerufen, für den Verbleib in der EU zu stimmen. Nur wenige sprechen sich öffentlich für den Brexit aus. Mithu Sanyal hat sich für das WDR 5-Kulturmagazin »Scala« in der britischen Kulturszene umgehört.

Am Thementag „Brexit? – Was die Briten antreibt“ befasst sich WDR 5 nicht nur mit der Stimmung vor dem Referendum. Die Hörerinnen und Hörer dürfen sich auch auf Beiträge über die skurrilen Eigenarten der Briten, die zu unrecht verrufene englische Küche oder die englische Gartenbaukunst freuen. Das Landesmagazin »Westblick« stellt in NRW lebende Briten vor. Der KinderRadioKanal »KiRaKa« befasst sich mit der englischen Sprache und englischem Pop. Und das »WDR 5 Europamagazin« begleitet eine Gruppe der „Anglo-German Walks“, die Völkerverständigung beim Wandern betreiben. Zu Gast ist Comedian Christian Schulte-Loh, der vermutlich einzige Deutsche, den die Briten lustig finden. Hobby-Poeten ruft »Neugier genügt – Redezeit« auf, Limericks über die Briten zu reimen. Die schönsten werden vorgelesen. Auch musikalisch wird der Tag auf WDR 5 natürlich very british.