Das Kindeswohl über alles andere stellen

Kerpener Modell

Das "Kerpener Modell" will in Fällen intrafamiliärer sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen effektiven Opferschutz gewährleisten, indem es die Bemühungen verschiedener am Verfahren Beteiligter in Einklang bringt.

In einem interdisziplinären Arbeitskreis beraten neben Jugendamt und Vormundschaftsgericht auch Kriminalpolizei, psychologische Sachverständige, Ärzte, Rechtsanwälte und Kindergartenleitung über eine gemeinsame Vorgehensweise.

Außerdem wird ein Verfahrenspfleger bestellt, das bedeutet das Vormundschaftsgericht veranlasst die gerichtliche Beiordnung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes für das Kind, der es als Opferzeuge im gesamten Verfahren begleitet.

Das "Kerpener Modell" wurde 1993 von Dr. Wolfgang Raack entwickelt, Vormundschaftsrichter und Direktor des Amtsgerichtes Kerpen.

Die Begründung der Jury 1996 für den zweiten Preisträger

Kinder werden verwaltet, geraten zwischen die Stühle unterschiedlicher Zuständigkeitsbereiche, werden Opfer von Kompetenzschwierigkeiten. Hier hat ein Richter konstruktiv verstanden, eine kinderfreundliche Struktur zu schaffen: alle an einen Tisch zu holen, die mit einem Fall zu tun haben, dabei vorhandene Gesetze optimal auszunutzen und damit nicht die Kinder unnötig zu belasten.

Wo zuständige Menschen miteinander kooperieren, statt ihre Ressorts gegeneinander auszuspielen, da wird die Zerstückelung der Verwaltung nicht auf die Kinder übertragen, da werden Kinder als ganze Persönlichkeiten ernst genommen und nicht zersplittert in Objekte von Jugendamt, Sozialamt, Gericht.

Vor allem bei dem sensiblen Thema "sexuelle Gewalt" ist damit gelungen, die Opfer vor unzumutbaren Mehrfachbefragungen zu schützen. Das Kerpener Modell setzt damit eine zentrale Forderung der UNO um: das Kindeswohl über alles andere zu stellen.