Bericht über versuchten Rathaussturm

Empörung bei SPD über Innenminister-Bericht

Stand: 25.06.2014, 20:20 Uhr

Ein Bericht des Innenministeriums über die Attacke von Rechten auf das Dortmunder Rathaus sorgt für Wirbel. Am Donnerstag (26.06.2014) wird der Bericht im Innenausschuss vorgestellt, bereits am Mittwoch äußerte sich SPD-Fraktionschef Norbert Römer. Er sei empört.

Von Rainer Kellers

Was genau ist passiert am Abend der Kommunalwahlen (25.05.2014) in Dortmund? Hat die Polizei zu spät auf einen lange bekannten Überfall von Rechtsextremen reagiert? Von wem ging die Gewalt aus? Hätte der versuchte Rathaussturm verhindert werden können? Viele dieser Fragen sind auch jetzt nicht eindeutig zu beantworten. Ein Bericht des Innenministeriums wirft nun aber viele neue Fragen auf. Der ausführliche Text, der WDR.de vorliegt, soll am Donnerstag (26.06.2014) im Innenausschusses des Landtags diskutiert werden. Er basiert auf Angaben des Polizeipräsidiums Dortmund und des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste.

Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile insgesamt 45 Ermittlungsverfahren eingeleitet: Gegen 40 Personen, die den Rechten den Zugang zum Rathaus verwehrt hätten - hier bestehe ein Anfangsverdacht der Nötigung. Von den ursprünglich 27 Ermittlungen gegen an den Auseinandersetzungen beteiligte Rechte ließ die Staatsanwaltschaft allerdings 22 wieder fallen. Lediglich gegen fünf von ihnen wird wegen Körperverletzung und Beleidigung ermittelt.

Zusammenstoß vor dem Rathaus

Eine der zentralen Aussagen des am Donnerstag zu diskutierenden Berichts: Die Gewalt sei nicht nur von den rund 30 Rechtsextremen ausgegangen. Die Rechten ziehen am Abend des 25. Mai zum Dortmunder Rathaus und stoßen an der Treppe zum Haupteingang auf etwa 100 Personen, die die Polizei zum "linken und bürgerlichen" Spektrum zählt. Außerdem seien 20 vermummte Antifa-Aktivisten vor dem Rathaus gewesen. Diese Personen verweigern den Rechtsextremen den Zugang zum Rathaus. Die 30 Aktivisten sollen mehrheitlich zur Partei "Die Rechte" gehört haben, die bei den Kommunalwahlen in Dortmund einen Sitz im Stadtrat errungen hat. Auf Fernseh-Aufnahmen des WDR ist zu hören, wie die Männer "Deutschland den Deutschen" und "Ausländer raus" rufen.

Schläge und Tritte

Am Eingang zum Rathaus kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppierungen. Es werden Flaschen geworfen und Reizgas versprüht. Die Polizei ist nach einem Hinweis kurz darauf mit zunächst acht Beamten vor Ort, die die Gruppen trennen. Dennoch versuchen beide Gruppierungen, wie es im Bericht heißt, "sich fortwährend gegenseitig zu attackieren". Die Polizei erhebt dabei schwere Vorwürfe gegen die Angehörigen der "bürgerlich/linken" Gruppe. Während die Einsatzkräfte die Rechten zurückdrängen, heißt es, "wurde fortwährend aus dem Rücken der Polizeibeamten heraus (...) versucht, die vorhandenen Lücken in der Polizeikette auszunutzen, um Angehörige der rechten Gruppierung mit Schlägen und Tritten zu attackieren".

Innenministerium: "Deutlich alkoholisierte Politiker"

Dieses, so der Bericht, habe "die Emotionen unter den Rechten immer wieder angeheizt". Und: "Dieses Verhalten trug in erheblichem Maße dazu bei, dass eine völlige Befriedung der Situation nur durch den Einsatz weiterer Kräfte zur Trennung der Parteien sichergestellt werden konnte." Weiter heißt es in dem Bericht, die Rechten seien den Platzverweisen der Polizei umgehend nachgekommen. "Deutlich alkoholisierte Politiker" seien aber aus dem Rathaus heraus getreten und hätten die Amtshandlungen "erheblich gestört".

Norbert Römer: "Ich habe niemanden betrunken gesehen"

"Ich war selbst im Rathaus", sagte SPD-Fraktionschef Norbert Römer am Mittwochabend: "Ich habe niemanden betrunken gesehen." Der Bericht enthalte "viel Ungereimtes". Er gehe aber davon aus, dass der Innenminister das klarstellen werde, betonte Römer. "Das ist eine großartige Leistung der Bürger in Dortmund, dass es ihnen gelungen ist, Rechte abzuhalten, das Rathaus zu besetzen", sagte Römer. Die Dortmunder Bürgergesellschaft sei immer wieder mit gutem Beispiel vorangegangen und habe Gesicht gezeigt gegen Rechtsradikale. "Ich habe die Sorge, dass durch einen solchen Bericht Menschen abgehalten werden, als Zivilgesellschaft das notwendige Engagement aufzubringen", kritisierte er.

OB-Kandidatin wird mit Fausthieb niedergestreckt

Die Angaben des Polizeiberichts widersprechen zum Teil deutlich den Aussagen von Zeugen. Das grüne Ratsmitglied Wolfgang Frebel sagte Ende Mai im WDR Fernsehen, Rechte seien nicht angegriffen worden, "das kann ich beschwören". Der Dortmunder SPD-Politiker Kai Neuschäfer sagte: "Die Aggression ging ganz eindeutig von den Rechten aus." Auf Fernsehbildern ist die OB-Kandidatin der Grünen und Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger zu sehen, die von einem führenden Neonazi mit einem Faustschlag niedergestreckt wird. Schneckenburgers grüne Fraktion hat den Bericht für den Innenausschuss angefordert. Nun ist sie schockiert über den Tenor.

Der Bericht enthalte eine "pauschalierende und damit diffamierende Einschätzung über Politiker vor Ort", sagt Schneckenburger WDR.de. Sie habe weder Gewalthandlungen gegen die Rechten noch betrunkene Politiker gesehen, die die Polizei gestört hätten. Der Polizeibericht verharmlose das Bedrohungspotenzial der Neonazis.

Vorwürfe gegen den Staatsschutz

Schneckenburger wirft zudem dem Staatsschutz vor, bei der Einschätzung der Lage in Dortmund "versagt" zu haben. Laut dem Polizeibericht hat der Staatsschutz an den beiden Tagen vor den Wahlen mit dem stellvertretenden Landesvorsitzenden der Partei "Die Rechte" in NRW, Michael Brück, gesprochen. Dieser habe versichert, ein Besuch der Wahlparty in Dortmund sei nicht geplant. Auch Recherchen in den sozialen Medien hätten keinen Hinweis auf entsprechende Pläne ergeben. Schneckenburger wirft den Staatsschützern vor, sich leichtfertig auf die Aussage eines Mannes verlassen zu haben, der Angehöriger des verbotenen und militanten "Nationalen Widerstands Dortmund" gewesen sei und für die Aufhebung dieses Verbotes eintrete. Er habe "erkennbar nicht die Wahrheit gesagt".

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