Holzschnitt mit einer Kegelszene

Stichtag

1300 - Erwähnung der ersten Kegelgilde

Der Kegelclub, in dem Karl May im 19. Jahrhundert tätig ist, ist ein vielbesuchter und beheizbarer Raum, der bei jedem Wetter genutzt werden kann. Viel Geld habe er dort als Kegeljunge verdient, wird sich der Romanschriftsteller später erinnern: "Aber wie! Durch welche Qualen!".

Die Aufgabe des damals zwölfjährigen Karl May ist es, die Kegel wieder aufzustellen, nachdem sie mit der Kugel gefallen sind. "Es kam vor, dass ich bis nach Mitternacht zu schinden hatte, ohne auch nur fünf Minuten ausruhen zu können. Zur Stärkung bekam ich des Nachmittags und des Abends ein Butterbrot und ein Glas abgestandenes, zusammengegossenes Bier."

Der Kegelclub als Dombauverein

Dass auch die Kegelgilde in Xanten 500 Jahre früher über Kegeljungen verfügt, ist sehr wahrscheinlich. Ob sie allerdings auch eine echte Kegelbahn besitzt oder die Kugel im Zentrum der Stadt auf dem blanken Boden rollt, ist nicht überliefert. Erwähnt wird sie als erste Gilde ihrer Art in einer lateinischen Urkunde des Jahres 1300. Darin wird ein Dienstmann dazu verpflichtet, mit seiner Lanze immer dann zu erscheinen, wenn sich ein hoher Bürger in die Bruderschaft der Xantener Stiftskirche einschreiben will: "auch, um am Kegelspiel mit den anderen Knappen teilzunehmen."

Eigentlich ist Kegeln im Mittelalter als mit Alkohol und weltlichem Vergnügen verbundenes Glücksspiel in theologischen Kreisen verpönt. Aber der älteste erwähnte Kegelverein auf deutschem Boden in Xanten ist eine dezidiert kirchliche Angelegenheit. Denn er dient vor allem dazu, den Ausbau der heute als Dom fungierenden Stiftskirche St. Viktor im Herzen der Stadt zu finanzieren. Gekegelt wird direkt an der Großbaustelle; in die Gilde aufgenommen wird derjenige, der bereit ist, den Eintrittspreis zu zahlen. Die vornehmsten Bürger der Stadt samt ihrer Frauen tun sich hier um, ebenso die Geistlichen des Xantener Stifts. Stadt und Kirche vergnügen sich als "fratres kegelorum" ("Kegelbrüder") gemeinsam.

Erholung für die Heiligen

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts geht die Xantener Kegelgilde sang- und klanglos ein. Der Dom ist fertig, ihr Finanzierungsinstrument hat seine Schuldigkeit getan. In den Kapitelstatuten des christlichen Stifts zu Xanten ist da ohnehin schon längst vermerkt, dass kein geistliches Mitglied die Wirtshäuser besuchen solle, "noch mit Würfeln oder Kegeln spielen". Allerdings findet sich schon im 15. Jahrhundert die Randnotiz eines anderen Schreibers: "Der war nicht klug, der diesen Satz gegen das Kegelspiel hereingebracht hat. Denn es ist eine anständige Übung des Körpers, deren sich heilige und fromme Männer als Erholung bedienen."

Heute ist Kegeln kein Glücksspiel oder Jahrmarkstvergnügen mehr, sondern gilt als eine der ältesten Sportarten der Welt. In Deutschland ist die Bundeskegelbahn mit ihrer vier Millimeter tiefen Mittelmulde und einer exakt zehn Zentimeter betragenden Steigung das Maß aller Dinge. Kegelvereine gibt es viele: eine Gemeinschaft oft bierseliger Kegelbrüder und Kegelschwestern, die sich in Asphalt-, Classic-, Bohle-, Bowling- oder Schere-Gemeinden teilt.

Stand: 01.05.2015

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