Statue Saint John in der Cathedral in Den Bosch

Stichtag

7. Januar 1970 - Niederländische Katholiken stimmen gegen den Zölibat

Die katholische Kirche wird von Papst Paul VI. geleitet, als sich in den Niederlanden eine reformfreudige Gruppe bildet, die 1970 gegen den Zölibat antritt. Die über hundert Geistlichen, Priester und Laien versammeln sich in Noordwijkerhout zum niederländischen Pastoralkonzil, um Reformen zu beschließen. Gegründet wurde das Konzil von Bernard Jan Kardinal Alfrink, Erzbischof von Utrecht und einer der progressivsten Kardinäle Europas.

Als Vorsitzender der Niederländischen Bischofskonferenz spricht sich Alfrink gegen den Zölibat aus, für die Pille und gegen übermäßigen päpstlichen Zentralismus. Mit überwältigender Mehrheit stimmt das holländische Pastoralkonzil am 7. Januar 1970 dafür, dass auch Priester heiraten dürfen. Einige bauen in der Pause vor der Konzils-Aula eine Schneefrau und hängen ihr ein Schild um mit der Aufschrift "Freu Dich, morgen können wir heiraten". Die Zeitungen des Landes sprechen schnell von einer Revolte gegen den Papst. Einige Jahre zuvor hatte das Zweite Vatikanische Konzil stattgefunden, von Papst Johannes XXIII. einberufen, um die katholische Kirche zu erneuern.

Niederländische Katholiken wollen Heimlichkeit beenden

Das Ende des Zölibats wünschen sich zu dieser Zeit auch viele Priester in Deutschland, trauen sich aber nicht, gegen die konservativen Kräfte der katholischen Kirche aufzubegehren. Daniel Bühling, Aussteiger aus dem Priesterseminar, betont immer wieder, dass Sexualität bei Priestern stattfindet. "Dass die Kirche diesen Zölibat aufrechterhält und für sinnvoll erklärt, hat mich in eine tiefe Krise gestürzt. Die Wirklichkeit im Seminar habe ich ganz anders erlebt: Es gibt Beziehungen, es gibt homosexuelle Beziehungen", sagt Bühling. Er ist selbst homosexuell, lebt mittlerweile in einer Beziehung und arbeitet als freier Theologe.

Die Niederländer, die schon in den 1960er-Jahren für ihre Weltoffenheit bekannt waren, wollen die Heimlichkeit beenden. Aber sie haben nicht mit den konservativen Kräften im Vatikan gerechnet. Papst Paul VI. spricht die niederländischen Priester direkt an, in einem offenen Brief an einen französischen Vertrauten. "Die Erklärungen über den Zölibat, die in den letzten Tagen in den Niederlanden veröffentlich wurden, haben Uns tief betrübt", schreibt er. Und: "Diese Erklärungen bringen Uns viel Kummer."

Papst Paul VI. kümmert sich fortan darum, dass in den Niederlanden nicht weiter am Zölibat gerüttelt wird. Sein Vorgehen unterstützen auch Bischöfe in Deutschland, wie der damalige Kölner Erzbischof Joseph Höffner. "Dies Zeichen ist dem Priester angemessen, da er ein Knecht Christi ist. Er soll all seine Zeit und all seine Kraft der Kirche geben - und zwar als Knecht", sagt er.

 Versöhnliche Worte von Papst Johannes Paul II.

Tatsächlich lässt es der Utrechter Erzbischof Bernard Jan Kardinal Alfrink nicht auf den Bruch mit Rom ankommen. Er lenkt ein und tritt 1975 aus Altersgründen als Erzbischof zurück. Von seinem Alterssitz bei Utrecht muss er zuschauen, wie die römische Kurie nach und nach alle freiwerdenden niederländischen Bischofsstühle mit vatikantreuen und konservativen Kollegen besetzt.

Die Heimlichkeit auf Erden nimmt weiter ihren Lauf, wie es Aussteiger Daniel Bühling formuliert. "Im Seminar lernt man Partner kennen, die den gleichen Weg gehen. Eine priesterliche Beziehung ist immer das Beste: Beide leben ihre Berufung öffentlich und die Sexualität eben heimlich. Das ist genau der Punkt, den ich kritisiere: diese Scheinheiligkeit und diese Doppelmoral." Auch im 21. Jahrhundert hoffen viele Katholiken auf eine Reform des Priesterdaseins.

Stand: 07.01.2015

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