Musiker bei Proben im Großen Senderaum des Funkhauses Münster, 20er Jahre.

Stichtag

10. Oktober 1924 - Der Sender Münster wird eröffnet

Erst rauscht es gehörig, dann ertönt blechern eine Stimme aus dem Äther: "Hier ist Münster auf Welle 410. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Rundfunkteilnehmer: Die Westdeutsche Funkstunde eröffnet ihr Programm…"

Rund 6.000 Hörer sind dabei, als vor 90 Jahren die Radio-Ära in Nordrhein-Westfalen beginnt - nicht in Köln, sondern im westfälischen Münster. Am 10. Oktober 1924 meldet sich aus einem alten Generatorenhaus am Dortmund-Ems-Kanal erstmals die WEFAG, die Westdeutsche Funkstunde AG. Sie wird zur Wiege des WDR.

Wellen aus der Badewanne, Marschtritt mit Papier

Seit der Premiere des deutschen Rundfunks 1923 im Berliner Vox-Haus schießen überall Regionalsender wie Pilze aus dem Boden. Hierzulande wird zunächst ein Standort am Rhein favorisiert. Doch das Rheinland ist in Folge des Ersten Weltkriegs von französischen und belgischen Truppen besetzt, Fernmeldeanlagen sind verboten. So kommt Münster als nächste größere Stadt jenseits der Besatzungszone zur Ehre des ersten Radiosenders im späteren NRW. Als Träger fungieren die Stadtverwaltung, die Landwirtschaftskammer sowie die Handelskammern, die die erforderlichen 60.000 Rentenmark für das Unternehmen aufbringen.

Unter abenteuerlichen Bedingungen nehmen die Münsteraner Hörfunk-Pioniere ihre Arbeit auf. "Das war kein Studio, das war ein Keller", erinnert sich Jahrzehnte später Tönne Vormann, der mit 23 Jahren zur WEFAG kam. "Die beiden Techniker standen auf Baubrettern, darunter war Wasser. Und dann hab ich gesungen, aber Geld hab ich dafür nicht bekommen." Da es noch keine Tonbänder gibt, muss jedes Geräusch im Keller live nachgeahmt werden. Das Wellenrauschen des Meeres kommt aus einer Badewanne und marschierende Soldaten werden mit knisterndem Papier imitiert.

Adenauer holt den Sender nach Köln

Ein billiges Vergnügen ist Radiohören aber nicht. Ein gutes Empfangsgerät kostet bis zu 400 Rentenmark – viel Geld bei Stundenlöhnen von 88 Pfennig für gelernte Arbeiter. Dazu sind, wie der Mannheimer Medien-Historiker Konrad Dussel weiß, auch damals schon Gebühren fällig: "Zwei Mark hat es gekostet, in der neuen Reichsmark-Währung. Soviel wie ein Zeitungsabonnement im ganzen Monat. Dafür gab es jeden Abend ein oder zwei Stunden Rundfunk. Mehr war das nicht." Dennoch wächst die Zahl der Menschen an Rhein und Ruhr, die sich mit oft selbstgebastelten Detektoren und Kopfhörern die neue Klangwelt in die Wohnstuben holen, rasant an.

Als 1925 die Sendestellen Dortmund und Wuppertal-Elberfeld in Betrieb gehen, lauschen bereits 80.000 Hörer der Westdeutschen Funkstunde. Verbotenerweise, denn noch ist Radiohören aus Angst vor Spionage streng untersagt. Jeden Abend fordert die WEFAG deshalb: "Sie sollen nicht länger entrechtet sein. Funk frei! Für die Brüder an Ruhr und Rhein!" Nach Abzug der Alliierten 1926 ringen Düsseldorf und Köln darum, Standort der neu gegründeten Westdeutschen Rundfunk Aktiengesellschaft (WERAG), der Keimzelle des WDR, zu werden. Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer sorgt dafür, dass sich das Reichspostministerium für die Domstadt entscheidet. Der WEFAG-Ursender in Münster wird 1933 auf Anordnung des NS-Propagandaministeriums geschlossen.

Stand: 10.10.2014

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