Stichtag

20. September 1989 - Uraufführung des Musicals "Miss Saigon"

Es ist eines der bekanntesten Fotos des Vietnamkriegs, aufgenommen am 29. April 1975: Ein US-Hubschrauber steht auf einem winzigen Hausdach in Saigon. Hastig klettern Amerikaner an Bord, um in letzter Minute den siegreichen Nordvietnamesen zu entkommen. 14 Jahre später mutiert die symbolträchtige Momentaufnahme der endgültigen Niederlage der USA zum spektakulären Bühnenbild des Musicals "Miss Saigon".

Krieg als Hintergrund einer Lovestory

Die pathetische Pop-Oper nach Motiven von "Madame Butterfly" erzählt von der tragischen Liebe der Vietnamesin Kim zum US-Marinesoldaten Chris. Ihm gelingt die Flucht vom Dach der amerikanischen Botschaft, seine Kim aber geht im Chaos der Eroberung Saigons durch den Vietcong verloren. Am 20. September 1989 wird "Miss Saigon" im Londoner Drury Lane Theatre uraufgeführt. In den folgenden zehn Jahren bringt es die Inszenierung auf weit über 4.000 Aufführungen, mehr als jedes andere Musical zuvor.

"Miss Saigon" spielt zwar kurz vor dem Ende des Vietnamkriegs und in den Jahren danach. Der Krieg selbst und seine Folgen aber dienen den Autoren Claude-Michel Schönberg und Alain Boublil nur als Staffage einer rührseligen Lovestory. Mit historischen Dramen als Hintergrund für effektvolles Musiktheater haben die beiden Franzosen beste Erfahrungen gemacht. Neun Jahre zuvor landeten sie mit "Les Misérables" nach dem sozialkritischen Roman von Victor Hugo bereits einen Welterfolg.

Theater-Oscar für die Hauptdarstellerin

Das bitter-süße Melodram um Kim und Chris beginnt im Nachtclub "Dreamland" in Saigon. Dort verliebt sich das bezaubernde Animiermädchen in den schmucken US-Marine. Obwohl Kim einen anderen Mann heiraten soll, verbringt sie die Nacht mit Chris, der verspricht, sie nach Amerika mitzunehmen. Das geht - siehe oben - leider schief, doch Kim bekommt einen Sohn von ihrem Geliebten. Drei Jahre später flieht sie nach Bangkok, wo sie noch immer von einer Zukunft mit Chris träumt. Durch Vermittlung von Freunden trifft sie ihren Traummann wieder, doch der ist inzwischen verheiratet. Nach tränenreichen Verwicklungen erschießt sich Kim in der Hoffnung, dass Chris ihren gemeinsamen Sohn mit ins gelobte Land Amerika nimmt. In den Armen ihres Geliebten haucht sie ihr junges Leben aus.

Vier weltweite Castings sind erforderlich, um die meist asiatischen Rollen des Musicals zu besetzen. Vor allem die stimmlich anspruchsvolle Titelrolle bereitet den Londoner Produzenten größte Probleme. In Manila entdecken sie schließlich die Sängerin Lea Salonga, ein bezauberndes 18-jähriges Talent mit dem nötigen Stimmvolumen. Für ihre hinreißende Darstellung der Kim wird sie mit dem Laurence Olivier Award ausgezeichnet und 1991 in die Besetzung der New Yorker Aufführung am Broadway übernommen. Dort erspielt sich Lea Salonga mit dem Tony Award den Theater-Oscar.

Die deutschsprachige Erstaufführung von "Miss Saigon" findet 1994 in Stuttgart statt. Musical-Tycoon Rolf Deyhle ("Cats", "Phantom der Oper“, "Die Schöne und das Biest") lässt dazu extra die Music-Hall bauen, um wie bei der Londoner Uraufführung den Flucht-Hubschrauber in Originalgröße auf der Bühne landen lassen zu können.

Stand: 20.09.2014

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