Reichwehrminister Gustav Noske (SPD) und Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) (r.) am 16.07.1919 im Seebad Haffkrug in Travemünde

Stichtag

24. August 1919 - Foto von Friedrich Ebert und Gustav Noske in Badehosen

Im Sommer 1919 besucht Friedrich Ebert an der Ostsee ein Kindererholungsheim der Hamburger Produktionsgenossenschaft. Der SPD-Politiker war Anfang des Jahres von der Nationalversammlung zum vorläufigen, ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt worden. An diesem 16. Juli entsteht ein Foto, das für Ebert ungeahnte Auswirkungen hat: Er lässt sich mit Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) und Mitgliedern der Produktionsgenossenschaft in Badehosen am Strand ablichten. Ein ortsansässiger Fotograf ist zufällig Zeuge der Szene und lässt sich die Zustimmung für die Aufnahme der Badenden geben.

"Sie dachten allerdings nicht, dass dieser Strandfotograf, Wilhelm Steffen, dieses Foto in seinem Atelier ausstellen würde, und dass da jemand aus Berlin ist, der dieses Foto dann auch kaufen würde", sagt Walter Mühlausen, Historiker und Geschäftsführer der Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg. Das Foto erscheint zunächst am 19. August 1919 im hinteren Teil der konservativen "Deutschen Tageszeitung" - mit der Behauptung: "Sie stellten der Welt ihre ganze Mannesschönheit zur Schau und veranlassten in animierter Stimmung die Fixierung der Szene auf photographischer Platte."

Skandalisierung per Postkarte

Die Aufregung über das Foto hält sich zunächst in Grenzen. Das ändert sich allerdings wenige Tage später, als das Bild auf das Titelblatt der "Berliner Illustrierten Zeitung" vom 24. August 1919 gelangt. Doch nun ist die querformatige Aufnahme zurechtgeschnitten. Die beiden Produktionsgenossenschaftler im Vordergrund fehlen. Zu sehen sind nur noch Ebert, Noske und ein Mann, der als Neptun mit einem Dreizack posiert. Das so bearbeitete Foto der halb nackten Männer wirkt nicht vorteilhaft. Damals ist noch immer der Einteiler, der den Körper weitgehend bedeckt, auch für Männer üblich. "Es gibt schon die Badehose, aber das geziemt sich natürlich nicht für ein Staatsoberhaupt und den Reichswehrminister", sagt Mühlhausen.

Die Ausgabe der "Berliner Illustrierten Zeitung" wird bereits drei Tage vor dem Erscheinungsdatum ausgeliefert. Ausgerechnet am Tag der Vereidigung von Ebert auf die neue Verfassung. Doch das ist erst der Anfang. Eberts politische Gegner setzen eine Postkarte in Umlauf, die tausendfach verkauft wird. In dieser Version des Fotos werden Ebert und Noske zusammen mit Wilhelm II. und Paul von Hindenburg abgebildet. Der abgetretene Kaiser und der frühere Chef der Obersten Heeresleitung tragen Paradeuniformen. Zwischen ihnen und den Demokraten in Badehosen steht die Zeile: "Einst und jetzt!" Historiker Mühlhausen: "Damit wurden die einfachen Gemüter angesprochen, um zu zeigen, was eigentlich aus diesem herrlichen Kaiserreich geworden ist: eine Republik, die sich selbst entblößt."

"Du hast die Badebüx, sonst hast du weiter nix"

In der Bevölkerung ist Ebert bis zum Zeitpunkt der Vereidigung am 21. August 1919 visuell kaum bekannt. "Er hatte bis dahin noch keine Dienstreisen unternommen", so Historiker Mühlhausen. "Bevor er überhaupt durchs Land gereist ist, reist ihm dieses Badehosen-Bild durch die Lande vorweg." So schwenkt ein Student beim Vorbeifahren des Reichspräsidenten einer rote Badehose, hängt andernorts zur Begrüßung eine Badehose an einem Mast oder ein Exemplar wird Ebert als Geschenk, mit schwarz-rot-goldener Schleife verpackt, übergeben.

Das Foto wird in weiteren Variationen veröffentlicht, in Karikaturen verfremdet und sogar besungen. Zur Melodie der Kaiserhymne "Heil dir im Siegerkranz" dichtet das Satiremagazin "Kladderadatsch" die Zeilen: "Heil dir am Badestrand / Herrscher im Vaterland / Heil, Ebert, dir! / Du hast die Badebüx, / sonst hast du weiter nix / als deines Leibes Zier, / Heil, Ebert, dir!" Das hat Folgen: "Dieses Badehosen-Foto hat Friedrich Ebert und der Republik geschadet und hat ihn natürlich auch persönlich getroffen", sagt Mühlhausen.

Stand: 24.08.2014

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