Stichtag

19. Mai 1964 - Abhöranlage in Moskauer US-Botschaft entdeckt

Lauschangriffe auf Botschaftsgebäude sind während des Kalten Krieges der Normalfall – vor allem in den Ostblockstaaten. Allein die Vereinigten Staaten entdecken zwischen 1949 und 1964 nach eigenen Angaben über 130 Abhöranlagen in ihren östlichen Auslandsvertretungen, installiert vom sowjetischen Geheimdienst KGB.

Dessen Agenten lassen sich immer neue Tricks einfallen. 1960 etwa sucht ein englischer Diplomat in Moskau an seinem Radio eine Jazz-Sendung, als er plötzlich den amerikanischen Botschafter sprechen hört. Bei der Durchsuchung in dessen Amtszimmer findet man ein Mikrofon, ausgerechnet im Wappen der USA. Es war holzgeschnitzt und ein Geschenk der Sowjetregierung.

Elf Jahre lang ausgehorcht

Seither überprüft der US-Geheimdienst CIA das Botschaftsgebäude in Moskau noch häufiger und penibler – und ist doch vor Blamagen nicht sicher. Die größte muss Botschafter Foy D. Kohler am 19. Mai 1964 publik machen. In den drei wichtigsten Etagen seiner Vertretung am Sadowaja-Ring haben die CIA-Spezialisten auf einen Schlag vierzig Mikrofone entdeckt. Trotz der regelmäßig durchgeführten Wanzen-Ortungen war man dem Abhörsystem erst durch Hinweise eines sowjetischen Überläufers auf die Spur gekommen.

Nach dessen Verrat reißen Sicherheitsbeamte sämtliche Fußböden und Wände in den obersten Stockwerken der Botschaft auf. Am 28. April finden sie das erste Mikrofon, 20 bis 25 Zentimeter tief unter dem Putz versteckt. Sie folgen der Verdrahtung, bis schließlich die gesamte, teils verrostete Abhöranlage zum Vorschein kommt. Die technisch völlig überholten Gerätschaften stammen noch aus Stalins Zeiten. Eingebaut wurden sie 1953, noch vor dem Einzug der Amerikaner in das Gebäude, das ihnen die Sowjets angeboten hatten.

Gelassene Reaktion der Sowjets

Elf Jahre hatte der KGB also seine Ohren ganz dicht bei den Amerikanern. Ein Schock nicht nur für Botschafter Kohler, sondern für alle seine westlichen Kollegen in Moskau. Eilig lässt die US-Regierung verlautbaren, wichtige und geheime Gespräche hätten selbstverständlich nur in besonders abhörsicheren Räumen der Botschaft stattgefunden. Und diese Räume seien natürlich von eigenen Sicherheitsexperten installiert worden.

Die Frage, warum die Lauschanlage trotz ständiger Überprüfungen erst nach über einem Jahrzehnt entdeckt wurde, bleibt mit Hinweis auf die erforderliche Geheimhaltung unbeantwortet. Vier Wochen nach dem Abhörskandal teilt Botschafter Foy Kohler der sowjetischen Regierung seinen "energischen Protest" mit. Der stellvertretende Außenminister der UdSSR, Wassili Kusnezow, reagiert gelassen: Man werde "der Sache nachgehen". Welche Geheimnisse die Sowjets im Laufe der elf Jahre erfahren haben, kommt nie ans Licht.

Stand: 19.05.2014

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