Giovanni Falcone, italienischer Richter

Stichtag

18. Mai 1939 - Giovanni Falcone wird geboren

Palermo, Samstag, 23. Mai 1992: Giovanni Falcone, Richter und Mafia-Jäger, landet am Nachmittag mit einem Flugzeug des italienischen Geheimdienstes auf dem Flughafen Punta Raisi in der Nähe der sizilianischen Hauptstadt. Er arbeitet seit kurzem in Rom und will das Wochenende zu Hause verbringen. Sein Fahrzeugkonvoi fährt auf der Autobahn in Richtung Stadt, als gegen 18 Uhr 500 Kilogramm TNT detonieren - versteckt in einem Abwasserrohr unter der Fahrbahn. Der Sprengstoff ist von einem Mafia-Killer ferngezündet worden. Der vorausfahrende Wagen, besetzt mit drei Leibwächtern, wird 60 Meter durch die Luft geschleudert. Alle Insassen sind sofort tot. Der Wagen mit Falcone prallt gegen die Beton-Trümmer des Explosionskraters. Falcone und seine Frau, die mit im Wagen saß, sterben im Krankenhaus.

Geboren wird Falcone am 18. Mai 1939 in Palermo, der Hochburg der Mafia. Er wächst im heruntergekommenen Stadtteil Kalsa auf - Tür an Tür mit Menschen, die er später verfolgt. "Ich spielte Tischtennis mit Tommaso Spadaro", sagt Falcone über einen Mafia-Boss, der Jahre später zu 30 Jahren Haft verurteilt wird. "Ich hatte ihn in einer katholischen Stadtviertelgemeinde kennengelernt, wo jeder jedem begegnete." Er habe ihn 1980 wiedergesehen, nach dessen Verhaftung. Zu den Jugendfreunden Falcones gehört aber auch der spätere Richter Paolo Borsellino. Beide studieren Jura und kämpfen Seite an Seite gegen die Mafia.

"Anti-Mafia-Pool" untersucht "Pizza-Connection"

Zu Beginn der 1980er Jahre kontrolliert die kriminelle Vereinigung "Cosa Nostra" ("Unsere Sache") den Heroin-Handel in die USA. Die Droge wird in Tomatendosen geschmuggelt. Als Stützpunkte in Amerika dienen Pizzerien - daher wird das Unternehmen auch "Pizza-Connection" genannt. Aus den USA fließen Milliarden Dollar zurück nach Sizilien. Diese Geldflüsse überprüft Untersuchungsrichter Falcone und erkennt so die Strukturen des Geschäfts, um das sich die Mafia-Familien streiten und das Hunderte Menschen das Leben kostet. Falcone und Borsellino ermitteln zu dieser Zeit in dem von ihnen gegründeten "Anti-Mafia-Pool".

Falcone hat seine eigene Art, mit Mafiosi umzugehen. Er eröffnet seine Verhöre mit den Worten: "Sagen Sie, was immer Sie wollen, aber denken Sie daran: Dieses Verhör wird für Sie ein Leidensweg, denn ich werde Sie in jede erdenkliche Falle locken." Bei Tommaso Buscetta hat Falcone Erfolg, der Mafia-Boss will aussagen und entgegnet ihm: "Sie werden nach diesem Verhör eine Berühmtheit sein. Aber man wird versuchen, Sie zu vernichten."

344 Mafiosi auf einen Schlag verurteilt

Angeklagt werden 474 Männer, von denen sich noch 119 auf der Flucht befinden. 1986 geht es im sogenannten Maxi-Prozess um 120 Morde, Drogenhandel, Erpressung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Die Anklageschrift umfasst über 8.000 Seiten. Schließlich werden 344 Mafiosi zu insgesamt 2.665 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Höchststrafe "lebenslänglich" wird 19 Mal vergeben. Die Mafia will Rache nehmen: 1989 kann ein Bomben-Attentat auf Falcone nur knapp verhindert werden. Zugleich wird er von Kollegen angefeindet und bei Beförderungen übergangen. Der Anti-Mafia-Pool wird aufgelöst.

1991 lässt sich Falcone ins Justizministerium nach Rom versetzen. Er lebt weiter unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen: "Es ist nicht so wichtig, ob man mehr oder weniger Angst hat, sondern ob man lernt, mit seiner Angst zu leben, sich nicht von ihr bestimmen zu lassen." Immer wieder hört er in seinem Büro, dessen Scheiben aus Panzerglas sind, das Requiem von Guiseppe Verdi und verschanzt sich hinter Aktenbergen - bis er schließlich im Mai 1992 der Mafia zum Opfer fällt. Wenige Wochen später stirbt auch Borsellino - durch eine Autobombe. Die Bevölkerung protestiert gegen das Morden. Die Mafia reagiert darauf prompt und versucht, öffentliches Aufsehen zu vermeiden, erklärt der sizilianische Staatsanwalt Marcello Viola: "Die Mafia hat beschlossen, eine neue Strategie zu fahren, die hat damals ihren Anfang genommen. Die sogenannte Strategie des Untertauchens." Seitdem ist die Anzahl der Mafia-Morde drastisch gesunken.

Stand: 18.05.2014

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