Stichtag

8. April 1934 – Patent für Plexiglas erteilt

In den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts ist Kunststoff in der Abendmode hipp. Vor allem die Damen in den USA tragen in der Oper oder im Theater Täschchen aus Zelluloid, die mit einem durchsichtigen Deckel aus Plexiglas verschlossen werden. Unter den 14.000 Exponaten des Deutschen Kunststoffmuseums in Düsseldorf finden sich noch Exemplare.

Die Abendtäschchen "sind meine Freude, aber auch mein Leid", sagt Kuratorin Uta Scholten: "Weil sie konservatorisch schwer zu behandeln sind." Aber das liegt nicht am Plaxiglas, sondern am Zelluloid, was im Laufe der Jahre unwiederbringlich zerfällt. So wird irgendwann vom hippen Modeaccessoire nur mehr der robuste Deckel übrig sein.

"Da bin ich aber perplex!"

Die Erfolgsgeschichte des Plexiglases beginnt 1920. Da erkennt der deutsche Chemiker Hermann Staudinger, dass Kunststoffe aus langen Ketten mit immer denselben Bausteinen bestehen. Der Unternehmer Otto Röhm macht sich diese Erkenntnis für eine synthetische Lederbeize und ein Waschmittel zunutze.

Dann gelingt es Röhms Forscherteam, aus Methylacrylsäure Acrylglas herzustellen. "Da bin ich aber perplex!" soll der Unternehmer bei der Entdeckung ausgerufen haben – das Plexiglas hat seinen Namen. Am 8. April 1934 wird das Material patentiert. Drei Jahre später wird das Material auf der Weltausstellung von Paris als Sensation gefeiert.

Nazibomber und Leuchtreklamen

Anfangs werden Brillengläser, Autoscheiben und die Instrumente für ein komplettes Streichquartett aus dem durchsichtigen und extrem leichten, leider aber nicht besonders kratzfesten Material hergestellt. Später kommen Plexiglashauben für die Bomber der Wehrmacht hinzu. Die Schwiegertochter Richard Wagners, Winifred Wagner, soll Röhm den Kontakt zu den Nationalsozialisten vermittelt haben. Im Gegenzug bekommt sie eine Acryltaube für ihre Bayreuther Festspiele.

Nach dem 2. Weltkrieg erobert Plexiglas den zivilen Straßenverkehr, aber auch die Schmuck- und Designerszene sowie die Bauindustrie: Ohrringe, Stühle, Fensterscheiben und Neonreklamen aus Plexiglas haben Konjunktur. Heute macht Polykarbonat dem Acrylglas Konkurrenz. Es ist ebenfalls durchsichtig und leicht, aber wesentlich beständiger gegen Kratzer.

In den 80er Jahren werden deshalb die Glasscheiben der historischen Halle des Kölner Hauptbahnhofs nicht durch Plexiglas, sondern durch Polykarbonatfenster ersetzt.

Stand: 08.04.2014

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