Stichtag

27. Januar 1929 - Die Brüder Sass brechen in Disconto-Bank ein

Die Berliner Disconto-Gesellschaft gilt als Bank mit dem sichersten Safe der Stadt. Doch am 29. Januar 1929 lässt sich die zentnerschwere Tür zum Tresorraum nicht öffnen. Schließlich stemmen zwei Maurer ein Loch in die Wand neben der Tresortür. Nach 14 Stunden ist der Blick ins Innere frei: An den Wänden sind aufgebrochene Schließfächer zu sehen, auf dem Boden liegen Banknoten verstreut. Dazwischen stehen zwei Flaschen Rotwein, mit dem die Bankräuber auf ihren Coup angestoßen haben.

Die Polizei hat zwei Verdächtige im Visier: Franz und Erich Sass. Die beiden Brüder werden von den Zeitungen als "Meisterdiebe" bezeichnet. Sie sollen zahlreiche Einbrüche verübt haben: bei der Deutschen Bank, der Dresdner Bank, der Reichsbahndirektion und dem Finanzamt. Doch die Beamten konnten den Brüdern bisher nie etwas nachweisen. Auch dieses Mal bleibt es beim Verhör. Schon kurz danach geben die beiden in einem teuren Restaurant eine Pressekonferenz.

Neuste Technik verwendet

Aufgewachsen sind Franz und Erich Sass im Arbeiterviertel Moabit. Der Vater ist Schneider, die Mutter arbeitet als Wäscherin. Die Wohnung für die Eltern und fünf Söhne ist 40 Quadratmeter groß. Schon früh geraten Franz und Erich mit dem Gesetz in Konflikt. Doch ein Dasein als Kleinkriminelle ist ihnen bald zu wenig. Als erste Einbrecher nutzen sie für ihre Taten die gerade erst entwickelte Schneidbrenner-Technik - und knacken damit selbst stabilste Schlösser.

Trotzdem scheint die Disconto-Bank den Brüdern lange als unbezwingbar. Die Tresortür ist mehrfach alarmgesichert - gegen jede noch so kleine Erschütterung. In mehreren Nachtschichten buddeln sie sich schließlich unter dem belebten Wittenbergplatz im Zentrum Berlins hindurch. Von einem Kellerverschlag aus geht es in Richtung eines Belüftungsschachts, durch den sie sich hindurchquetschen - und am 27. Januar 1929 im unterirdischen Tresorraum landen. Der Schaden wird auf rund zwei Millionen Reichsmark geschätzt. Genaue Angaben, was in den Privattresoren der Kunden gelagert wurde, gibt es nicht.

Bewunderung in der Bevölkerung

"Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?", Bert Brechts Satz aus der "Dreigroschenoper" bringt die Bewunderung mancher Berliner für die Tat auf den Punkt. Für Sympathie in der Bevölkerung sollen auch Geldscheine gesorgt haben, die nach dem Einbruch angeblich in den Briefkästen der Moabiter Mietskasernen gefunden wurden.

Franz und Erich Sass wird Berlin bald zu gefährlich. In Dänemark rauben sie weiter, werden aber in einer Kopenhagener Bank erwischt und 1938 nach Deutschland ausgeliefert. Dort kommen die Brüder ins Zuchthaus. Adolf Hitler befiehlt angeblich persönlich, sie im März 1940 zu erschießen. Die Beute aus der Disconto-Bank ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.

Stand: 27.01.2014

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