Friedensreich Hundertwasser, Maler und Baukünstler

Stichtag

15. Dezember 1928 - Friedensreich Hundertwasser wird geboren

Die Fassade ist rosa, blau und gelb. Kein Fenster gleicht dem anderen. Auf dem Dach wächst ein kleines Wäldchen. Das sogenannte Hundertwasser-Haus in Wien wird in den 1980er Jahren gebaut und ist heute eine Touristenattraktion. "Wenn Sie Kinder fragen, wie sie sich ein Haus vorstellen, dann kommt ungefähr das heraus", sagt der Maler und Baukünstler Friedensreich Hundertwasser später. "Sehnsüchte wecken in den Menschen - da bin ich Meister." Viele weitere Bauten folgen, darunter sind neben Wohnhäusern auch ein Wellness-Hotel, eine Autobahnraststätte und eine Müllverbrennungsanlage.

Hundertwasser setzt seine Ideen allerdings nicht alleine um. Bei Neubauten ist die Arbeitsteilung klar: "Ein Architekt hat die Grundstruktur geliefert, und Hundertwasser hat mit seiner Ästhetik, mit seinen 'Hundertwasserismen' eine Außenhaut drübergezogen", sagt die Kunsthistorikerin und Hundertwasser-Biografin Georgia Illetschko. Auch bei Umbauten habe der Künstler nicht selbst Hand angelegt: "Hundertwasser hat keine Bauzeichnungen gemacht. Die Handwerker sollten selbst kreativ sein." Für Kritiker ist Hundertwasser deshalb ein bloßer Fassadenkünstler, der mit Goldkugeln, Zwiebeltürmchen und bunten Farben beeindrucken will.

Spirale als Symbol

Der am 15. Dezember 1928 in Wien geborene Hundertwasser ist jedoch von sich selbst überzeugt: "Ich möchte im Zentrum des Geschehens stehen." Er wolle aufzeigen, wie sich die Zukunft gestalten werde. Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg notiert er: "Ich schaute in den Spiegel und sah ein seltsames Lächeln. Da wusste ich, dass ich ein Großer bin." Hundertwassers Vater stirbt, als sein Sohn ein Jahr alt ist. Seine jüdische Mutter zieht ihn alleine groß - in der Angst, ins KZ verschleppt zu werden. Fast 80 Verwandte werden von den Nazis ermordet.

Nach Kriegsende macht Hundertwasser 1948 die Matura und verbringt drei Monate an der Wiener Kunstakademie, bevor er mit Freunden durch Europa und Nordafrika reist. Danach lässt er sich in Paris nieder und lebt in seinem Atelier. Er entdeckt ein Bildmotiv, das ihn sein Leben lang begleitet: "Die Spirale ist ein ganz wichtiges Symbol des Universums." Das Zentrum bedeute Geburt, der Weg nach außen stehe für Auflösung und Tod. Er wendet sich gegen das "Chaos der geraden Linie": "Das Lineal ist das Symbol des neuen Analphabetentums", schreibt er 1958 in seinem "Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur". Da es in der Natur keine gerade Linien gebe, seien sie nicht menschengerecht.

Vom Verfolgten zum Verehrten

"Unsere Städte sind zu Beton gewordene Schnapsideen von verbrecherischen Architekten geworden", wettert Hundertwasser. "Zwei Generationen von Bauhaus-Architekten haben unsere Wohnwelt zerstört." Dagegen setzt der Künstler das Fensterrecht und die Baumpflicht: "Fensterrecht bedeutet, dass der Mensch das Recht hat, sich aus seinem Fenster zu lehnen und seine Außenwand zu gestalten, wie es ihm entspricht." Zudem solle für jeden Baum, der einem Haus weichen müsse, ein neuer gepflanzt werden - am besten auf dem Dach. Mit diesen Forderungen reüssiert Hundertwasser in den 1960er Jahren als Provokateur. Sein Name wird allgemein bekannt, als er bei einer Nacktdemonstration vor einer Vizebürgermeisterin die Hose auszieht.

Ende der 1970er Jahre ist es so weit: Hundertwasser erhält eine Baugenehmigung mitten in Wien, auf Empfehlung des damaligen österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky. Auf das erste Hundertwasser-Haus folgen 36 weitere. Der Rebell etabliert sich, kommt zu Geld und wird in der Boulevardpresse gelobt. "Der Künstler lebt vom Applaus aus der falschen Ecke", sagt Hundertwasser. "Aber der Applaus, auf den ich wirklich warte - der kommt noch lange nicht." Immer öfter zieht er sich in seine Wahlheimat Neuseeland zurück und verwirklicht schließlich seinen Traum: ein Leben mit und in der Natur - fast autark dank Sonnenkollektoren, Wasserrad und Pflanzenkläranlagen. Friedensreich Hundertwasser stirbt am 19. Februar 2000 an Bord eines Kreuzfahrtschiffs auf dem Weg von Neuseeland nach Europa an Herzversagen. Nach seinem Willen wird er in Neuseeland begraben: nackt, ohne Sarg und unter einem Baum.

Stand: 15.12.2013

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