Benito Mussolini, Adolf Hitler, Hermann Göring und Heinrich Himmler in einer Pause der Verhandlungen zum Münchner Abkommen

Stichtag

29. September 1938 - Münchner Abkommen unterzeichnet

"Es ist die letzte territoriale Forderung, die ich in Europa zu stellen habe, aber es ist die Forderung, von der ich nicht abgehe und die ich erfüllen werde", sagt Reichskanzler Adolf Hitler am 26. September 1938 auf einer Kundgebung der NSDAP im Berliner Sportpalast. Er verlangt von der Tschechoslowakei die Abtretung des Sudetenlandes. Drei Millionen Deutsche sollen "heim ins Reich" kommen. Wiedereinmal droht und beruhigt Hitler gleichzeitig - und tut so, als wäre seine nächste Forderung die letzte. Die Westmächte lassen sich seit langem auf diese Taktik ein: Sie dulden die deutsche Wiederaufrüstung seit 1933, reagieren nicht auf die deutsche Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes 1936 und nehmen den "Anschluss" Österreichs im März 1938 hin.

"Wir wollen gar keine Tschechen", behauptet Hitler im Sportpalast. Dabei hat er schon vier Monate zuvor der Wehrmachtsführung sein wirkliches Ziel genannt: die militärische Eroberung der gesamten Tschechoslowakei. Zudem hat Hitler im März 1938 Konrad Henlein, den Führer der Sudetendeutschen Partei (SdP) angewiesen, immer wieder unannehmbare Forderungen an die tschechoslowakische Regierung zu stellen. Nun droht der "Führer" dem tschechischen Staatspräsidenten Eduard Benesch: "Er wird entweder dieses Angebot jetzt akzeptieren und den Deutschen endlich die Freiheit geben - oder wir werden und diese Freiheit jetzt holen."

Beschwichtigung soll Hitler stoppen

Großbritanniens Premier Arthur Neville Chamberlain will auf jeden Fall einen Krieg verhindern. Mit seiner Politik des Appeasement, der Beschwichtigung, soll Hitler in Schach gehalten werden. Chamberlain befürchtet eine Kettenreaktion: Würde Hitler die Tschechoslowakei überfallen, träte für Frankreich der Bündnisfall ein und dadurch wäre auch Großbritannien betroffen. Chamberlain ist aber nicht bereit, für ein so kleines Land ein so großes Risiko einzugehen. Er glaubt, dass ein Zurückweichen den Krieg abwenden kann und Hitlers Machtansprüche befriedigen.

Am 29. September 1938 empfängt Hitler in München neben Chamberlain auch den französischen Ministerpräsidenten Edouard Daladier - und den italienischen Diktator Benito Mussolini als Vermittler. Die Tschechen dürfen an dem Treffen nicht teilnehmen. Noch in derselben Nacht unterschreiben der Brite und der Franzose, das was Hitler will: den sofortigen deutschen Einmarsch ins Sudetenland - das Münchner Abkommen.

"Anfang einer größeren Lösung"

Polen und Ungarn nutzen die Gunst der Stunde. Sie besetzen ihrerseits Teile der Tschechoslowakei, in denen Landsleute von ihnen leben. Der Krieg ist scheinbar abgewendet. Chamberlain wird in London als Retter des Weltfriedens gefeiert und gibt sich optimistisch: "Die jetzt erreichte Lösung der tschechoslowakischen Frage ist in meinen Augen erst der Anfang einer größeren Lösung, die ganz Europa Frieden bringen wird." Ein anderer britischer Politiker jedoch misstraut Hitler. Winston Churchill fordert: "England und Amerika müssen rüsten." Für jeden Tag Verzögerung werde man bitter büßen müssen.

Hitlers Kriegsmaschinerie wird von Tag zu Tag stärker. Drei Wochen nach dem Münchner Abkommen gibt er den Geheimbefehl zur Erledigung der Rest-Tschechei. Im März 1939 marschiert die Wehrmacht dort ein. Die Vereinbarung mit Hitler entpuppt sich als Niederlage für die Westmächte. "Das ist eigentlich vom ganzen Duktus kein Vertrag, sondern ein Räumungsbefehl", sagt der Historiker Jürgen Zarusky vom Münchner Institut für Zeitgeschichte. Er warnt allerdings vor falschen Schlüssen für die Gegenwart. Jede historische Situation sei einmalig. "Für die Probleme der Gegenwart gibt uns die Geschichte keine Lösungsrezepte." Er verweist auf den Historiker Jacob Burckhardt, der gesagt hat: "Geschichte soll uns weise machen für immer und nicht klug für das nächste Mal."

Stand: 29.09.2013

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