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Stichtag

27. Juni 1998 - Auflösung der Coop-Dortmund-Kassel beschlossen

Solidarische Selbsthilfe ist die Grundidee, als 26 Arbeiter 1901 den "Allgemeinen Konsumverein für Dortmund und Umgebung" gründen: Wenn sie zusammen als Gruppe Lebensmittel in großen Mengen einkaufen, können sie günstigere Konditionen für alle erwirken. Das Einkommen der Bergarbeiter ist damals so gering, dass sie auf Preisnachlässe angewiesen sind. Aus dem Konsumverein entsteht später Europas größte Konsumgenossenschaft: die Coop-Dortmund-Kassel, eine Lebensmittelkette mit rund 300 Filialen.

Doch nach gut 90 Jahren ist die Genossenschaft überraschend am Ende: Rund 500.000 Mitglieder fühlen sich vom eigenen Management hintergangen - und fürchten um ihr Geld, das sie bei der Coop-Dortmund-Kassel angelegt haben. Im Sommer 1997 steht der Konzern unmittelbar vor einem Konkurs, stellt Wirtschaftsprüfer Jochen Rölfs fest. Ihn haben die Banken und die NRW-Landesregierung nach Dortmund geschickt. Rölfs entdeckt, dass die Bilanzen der Jahre 1994 bis 1996 falsch sind, und rechnet nach: Für die drei Jahre ergibt sich eine Abweichung von insgesamt 95 Millionen Mark.

Trotz Verlust Dividenden ausbezahlt

Rölfs deckt auf, wie in der Vergangenheit vertuscht und beschönigt wurde. So sind beispielsweise Verluste einer Supermarktkette, die Coop-Dortmund-Kassel Ende der 1980er Jahre in Hamburg übernommen hatte, in der Bilanz als "nachträgliche Kaufpreiserhöhung" ausgewiesen worden. "Es gibt eindeutige Dokumente, die beweisen, dass hier nicht richtig gearbeitet worden ist."

Neben "Luftbuchungen" stellt Rölfs auch "Täuschung" fest: Noch im Herbst 1996 versprachen die Coop-Manager rosige Zeiten und warben bei den Genossenschaftlern um weitere Einlagen. Dividenden wurden ausgezahlt, obwohl das Unternehmen Verluste in Millionenhöhe machte. "Man wollte verhindern, dass die Anteilseigner massenweise austreten", so Rölfs. Außerdem wurden üppige Vorstandsgehälter und großzügige Pensionen für Mitarbeiter gezahlt.

60 Millionen Euro Spareinlagen verloren

Schon nach kurzer Zeit macht Rölfs dem Coop-Aufsichtsrat klar: Der Konzern kann nicht saniert werden. Der Ausweg, dass die Coop-Mitglieder frisches Geld nachschießen und damit ihre eigene Firma aus dem Sumpf ziehen, gilt als ausgeschlossen. "Ich glaube, dass das die Menschen überfordert hätte, wenn man ihnen jetzt gesagt hätte, du musst jetzt noch 300, 400 oder 500 Mark zahlen, damit wir mit neuem Kapital anfangen können", sagt der ehemalige Coop-Aufsichtsrat und Landesarbeitsminister Hermann Heinemann (SPD) rückblickend. Schließlich ist es soweit: Am 27. Juni 1998 beschließen die Genossenschaftler die Auflösung der Lebensmittelkette - nach ihrem fast 100-jährigem Bestehen. Rund 60 Millionen Euro Spareinlagen gehen verloren. Einige Genossenschafter ziehen daraufhin vor Gericht. Allerdings ohne Erfolg: Es sei getrickst, aber nicht betrogen worden, befinden die Richter. Das Management kommt ungeschoren davon.

Für die Belegschaft geht die Sache relativ glimpflich aus: Edeka übernimmt zwei Drittel der Coop-Geschäfte. Von den 14.000 Beschäftigten werden lediglich knapp 100 arbeitslos. Die meisten finden einen anderen Job oder werden von Edeka übernommen. Die Liquidation von Coop-Dortmund-Kassel dauert zehn Jahre - bis 2008 die letzte Coop-Immobilie verkauft wird. Der Erlös reicht gerade dazu, die Verfahrenskosten zu decken.

Stand: 27.06.2013

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