Oranienburg-Eden: Inschrift am Genossenschaftshaus

Stichtag

28. Mai 1893 – Obstbaukolonie "Eden" gegründet

Am 28. Mai 1893 sitzt eine Gruppe aus 18 überzeugten Vegetariern im Restaurant "Ceres" in der Berliner Paulsstraße. Sie will ein anderes, besseres, gesünderes Leben jenseits der urbanen Hektik.

Auf einer 40 Hektar großen Ziegenweide bei Oranienburg nördlich von Berlin gründen die Großstädter die erste Obstbaukolonie Deutschlands. Im Gründungsvertrag wird festgelegt, dass das parzellierte Gebiet gemeinschaftlich bewirtschaftet werden und der Erlös aus den Erzeugnissen der Genossenschaft zugute kommen soll. "Eden" genannt, wird die Kolonie zum Vorreiter der Bioindustrie.

Rettung durch Pferdeäpfel

Anfangs allerdings steht das Projekt unter keinem guten Stern. Die Großstädter sind nicht zu Obstbauern geboren und haben ein Feld erstanden, dessen nährstoffarmer Sandboden sich kaum für ihr Anliegen eignet. Zudem sind von den 18.000 Mark, die die Weide kostet, erst 3.000 angezahlt und das Geld wird knapp.

Schon nach anderthalb Jahren muss "Eden" eine Grundsätze lockern und sich auch von Nicht-Vegetariern unterstützen lassen; 1901 wird das Wort "vegetarisch" endgültig aus den Statuten gestrichen werden. Das fruchtet ebenso wie der Pferdemist, den sich die Edener aus den Straßen Berlins mit Havelkähnen tonnenweise kommen lassen.

1894 werden in "Eden" die ersten Pflanzen gesetzt. Zur Jahrhundertwende stehen auf der ehemaligen Ziegenweide rund 15.000 Obstbäume, 50.000 Obststräucher und 200.000 Erdbeerstauden, deren Früchte an Berliner Feinkostläden gehen. Zudem wird eine professionelle Obstverwertungsanlage angeschafft. Ab 1912 werden damit 30.000 Kilogramm Marmelade im Jahr produziert. Ein weiteres Vorzeigeprodukt ist die erste rein pflanzliche Margarine der Welt.

Die Maschinen verrotten

Inflation und zwei Weltkriege bringen das Paradies ins Wanken. Aber "Eden" bleibt bestehen. 1950 wird in Bad Soden ein zweites "Eden" errichtet, während das Oranienburger Original auf dem Boden der planwirtschaftlichen DDR verkümmert. 1972 geht die ostdeutsche Obstverwertung in Volkseigentum über. Durch staatliche Entschädigungszahlungen und finanzielle Unterstützung vom Tochterunternehmen in der Bundesrepublik ist das Überleben der Gemeinschaft zwar gesichert, aber die Maschinen verrotten.

Das zeigt sich vor allem nach dem Fall der Mauer. 1990 wird der Betrieb an die Genossenschaft, die noch immer besteht, zurückgegeben, aber die Zustände sind katastrophal. Seitdem hat "Eden" nicht nur finanziell mit seiner Existenz zu kämpfen, sondern auch mit dem Kampf der Kulturen: Während die alten Besitzer die Tradition der Obstbauanlage erhalten wollen, wollen die Neuen neue Wege gehen.

Zumindest vor Grundstücksspekulanten ist das Paradies dabei sicher. Für den Fall der Auflösung von "Eden" würde das Genossenschaftseigentum dem Wunsch der Gründungsväter entsprechend einer sozialen Einrichtung zugute kommen.

Stand: 28.05.2013

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