Ein in eine Decke gehüllter indianischer Wachtposten patrouilliert im März 1973 mit seinem geschulterten Gewehr in Wounded Knee

Stichtag

8. Mai 1973 - Indianer geben Widerstand in Wounded Knee auf

Dienstagnacht, 27. Februar 1973: Bei Vollmond fährt im US-Bundesstaat South Dakota eine Autokolonne durch das Indianer-Reservat Pine Ridge. Die rund 300 Männer und Frauen sind meist jung - und bewaffnet. Sie gehören zur militanten indianischen Bürgerrechtsbewegung "American Indian Movement" (AIM). Ihr Ziel ist Wounded Knee, ein 300-Seelen-Dorf mitten in der Prärie und gleichzeitig eine heilige Stätte der Lakota-Sioux vom Stamm der Oglala.

Ausgerechnet hier tötete die US-Armee 1890 bei einem Massaker etwa 350 Lakota-Indianer. Danach wurden die letzten frei lebenden Indianer in Reservate gesperrt und die sogenannten Indianerkriege für beendet erklärt.

Besetzung oder Aufstand?

Als die Autokolonne Wounded Knee erreicht, blockieren die AIM-Aktivisten mit ihren Pickups aller Zufahrtsstraßen. Dann plündern sie den einzigen Handelsposten im Ort, nehmen den Priester der kleinen Kirche sowie zehn andere Weiße als Geiseln und verschanzen sich. Das ist die offizielle Version. Tatsächlich aber handelt es sich wohl nicht um eine Besetzung, sondern um einen Aufstand von Bewohnern von Pine Ridge. Sie haben AIM um öffentlichkeitswirksame Hilfe gegen die korrupte Stammesregierung unter Richard "Dick" Wilson gebeten. Für viele Oglala ist er ein "Apfel" - außen rot, innen weiß; ein Komplize der US-Regierung. Wilson steckt Gelder aus Washington in die eigene Tasche und drangsaliert die Reservatsbevölkerung mit einer Privatarmee, die tödliche Verbrechen begeht. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 85 Prozent, die Lebenserwartung bei nur 47 Jahren.

Am nächsten Morgen wird Wounded Knee von FBI und Armee umstellt. Erste Reporterteams sind vor Ort. Vor laufender Kamera erläutert der alte Stammeshäuptling Fools Crow die Forderungen der Rebellen: Verbesserung der Lebensbedingungen im Reservat, Verhandlungen mit der Regierung über gebrochene Verträge, Untersuchung der gewaltsamen Todesfälle im Reservat - und vor allem die Absetzung von Wilson. Die US-Regierung dagegen verlangt die sofortige Freilassung der Geiseln. Aktivist Russell Means führt die Unterhändler in die belagerten Häuser und gibt später an, Agnes Gildersleeve - die weiße Besitzerin des Handelspostens - habe den verblüfften Männern erklärt, sie betrachte sich nicht als Geisel und sie denke nicht daran wegzugehen, denn dann würden die Indianer sofort getötet.

Tote bei Schusswechseln

Tagsüber verhandeln Indianern, FBI und Politikern in Zelten. Nachts liegt Wounded Knee unter dem Beschuss der US-Streitkräfte. Am 11. März 1973 rufen die Rebellen für das umkämpfte Gebiet einen unabhängigen Oglala-Staat aus. Eine Abordnung mit Häuptling Fools Crow an der Spitze fliegt nach New York, um bei den Vereinten Nationen die Anerkennung der neuen Nation zu erwirken - vergeblich. Die US-Regierung versucht unterdessen, die Rebellen auszuhungern. Der Lebensmittelnachschub sowie die Wasser- und Stromversorgung werden unterbunden. Am 8. Mai 1973, nach 71 Tagen, geben die Indianer erschöpft auf. Viele leiden an Lungenentzündung. Zwei Indianer und ein FBI-Beamter sind bei Schusswechseln getötet worden.

Die Forderungen der Rebellen werden nicht erfüllt. Wilson bleibt im Amt. Seine paramilitärischen Einheiten nehmen blutige Rache an jenen, die während des Aufstandes auf der Seite von AIM gestanden haben. Mehr als 60 Morde werden in den Jahren danach in Pine Ridge verübt - und nie aufgeklärt. Das Reservat, in dem sich Wounded Knee befindet, gehört heute immer noch zu den ärmsten Gegenden der USA. Auch wenn nun in einem "Community College" gut ausgebildete Indianer aus der Stadt unterrichten und es einen kleinen Radiosender gibt, der sein Programm in der Stammessprache ausstrahlt.

Stand: 08.05.2013

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